Essen. Traditioneller Tanz, weder verstaubt noch kitschig: Peter Schaufuss bringt das Märchen von „La Sylphide” ins Essener Aalto-Theater.

Ein düsterer Wald in Schottland, eine böse Hexe, Luftgeister, die in bauschigen Tüllröcken durch die Baumwipfel schwirren. Dazu ein bildschöner Edelmann und seine unglückliche Liebe zur Elfenkönigin.

„La Sylphide" von Herman von Lovenskjold, das ist Romantik pur, in Spitzenschuhen, eingehüllt in steife Tütüs und Schottenröcke. Da wehen frische, heitere Volkstanz-Rhythmen aus den schottischen Highlands aus dem Orchestergraben, wechseln sich ab mit ätherisch schwebenden Klängen. Fern jeder brutalen Realität gerät das Stück zu einem der Welt entrückten Märchen, in dem der an Krisen und Katastrophen Leidende abschalten kann. So wundert es wenig, dass das romantische Ballett von 1832 über den Luftgeist, der das Opfer einer neidischen Hexe (Ben van Cauwenbergh) wird, bei der Premiere im Essener Aalto-Opernhaus gefeiert wurde.

Erstklassig getanzt

Es ist ähnlich wie in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Das folkloristische und zugleich emanzipatorische Sujet begeistert: Der Gutsbesitzer James ist vordergründig glücklich mit der guten Effie, träumt aber von Luftgeistern und Melusinen. Mit Hilfe des Wurzelteufels glaubt der durch die Wälder irrende James, die fliegende Sylphide an sich binden und damit seine Sehnsucht stillen zu können.

Natürlich ist dies ein herkömmlich erzähltes Stück aus dem Bilderbuch der Schauerromantik. Doch Tradition muss weder verstaubt noch kitschig sein. Das beweist der frühere Startänzer Peter Schaufuss: In den 80er Jahren rekonstruierte er für das London Festival Ballet das Märchen so, wie es einst Auguste Bournonville für das Königlich Dänische Ballett kreierte. Nach Berlin und Leipzig kommt nun auch das Aalto-Theater in den Genuss dieses stilechten Balletts, das nur dann verzaubert, wenn es erstklassig getanzt wird. Und zwar im Sinne von Altmeister Bournonville, der durch kleine, schnelle Sprünge und flinke Schlagbewegungen der Beine und Füße von den Tänzern höchste Präzision verlangt.

Und tatsächlich: Aus den Solisten und Gruppentänzern wurden stilsichere, auf Tempo und Perfektion getrimmte Bournonville-Tänzer. Im Dekor von David Walker – einer Mischung aus dunklen Vedutenbildern in rembrandtscher Dunkelheit – verblüffen die Aalto-Artisten als frische, lebendig wirbelnde Wesen, die den Staub von 160 Jahren im Flug abschütteln.