Essen. Es soll das markanteste Zeichen des neuen kulturhauptstädtischen Miteinanders sein: das Ruhrmuseum in der ehemaligen Kohlenwäsche der Essener Zeche Zollverein. Dreieinhalb Monate vor der Eröffnung gab's den Rundgang durch das Haus, das sich als Gedächtnis der Region etablieren will.

In einer Region, in der die „Kathedralen der Arbeit” und die Kirchtürme immer schon nah beieinander standen, musste das kreative Zusammenrücken irgendwann gelingen. Nachdem die großen Ausstellungshäuser der Region gerade unter dem Label „Ruhrkunstmuseen” zu einem neuen, einheitlichen Auftritt und einer verstärkten Kooperation fanden, soll bald das markanteste Zeichen dieses neuen kulturhauptstädtischen Miteinanders folgen: das Ruhrmuseum in der ehemaligen Kohlenwäsche der Essener Zeche Zollverein.

Ein Haus, das nach mehr als zehn Jahren Vorlauf verwirklicht, was lange als unmöglich galt: Ein Sammlung mit Geschichte und Leihgaben aus der gesamten Region von Witten bis Wesel, von den Römern bis zur Krupp-Dynastie zusammenzutragen, ein „Schaufenster für die Region zu sein”, sagt Ausstellungsmacher Theo Grütter. Und vor allem das Gedächtnis einer ganzen Region zu festigen, mit Mercator-Bild und versteinertem Ammonit, einem Saurier-Skelett und der Statue von Alfred Krupp. Mehr als 6000 Exponate wurden für die Dauerausstellung zusammengetragen. 1500 davon Leihgaben aus praktisch allen Museen und Archiven des Ruhrgebiets. Eine Novität. Mit der offiziellen Eröffnung des Ruhrmuseums am 9. Januar 2010 fällt gleichzeitig der Startschuss zum Kulturhauptstadtjahr.

Dreiklang aus Natur, Kultur und Geschichte

Angesichts der teils Millionen Jahre alten Exponate, die bald im rostmodernen Ambiente der mit 55 Millionen Euro umgebauten Kohlenwäsche auf drei Ebenen zu sehen sein werden, ist die Entstehungsgeschichte des Ruhrmuseums noch jung, aber auch schon wieder zehn Jahre alt. Mit der Internationalen Bauausstellung Emscherpark kam 1999 die Überlegung. Über die Finanzierung wurde seither ebenso intensiv gestritten wie über die Frage, ob so ein Haus angesichts der vielen Industriemuseen an Rhein und Ruhr überhaupt nötig sein.

Das Geld ist inzwischen gesichert, Stadt, Land und Landschaftsverband haben sich die Betriebskosten in Höhe von 5,35 Millionen Euro aufgeteilt. Die Frage der Notwendigkeit will man ab Januar positiv beantworten. Als bestes Argument gilt der in der Museumslandschaft bislang einmalige Dreiklang aus Natur, Kultur und Geschichte. Auf 5000 Quadratmetern Ausstellungsfläche soll das thematische Allerlei gelingen – von Erd- bis NS-Geschichte, Eiszeit bis Strukturwandel, Hochindustrialisierung und Hansebund, Krieg und Kaiserzeit. Sorgsam sortiert unter Oberbegriffen wie Gegenwart und Gedächtnis, die dem Besucher beim Abstieg in die Katakomben der Geschichte Orientierung geben sollen.

Knebel, Kortum und die Klinge

Und die Geschichte fängt dort nicht mit dem Faustkeil an, sondern mit der Anatomie eines Bundesliga-Spieltags und Herbert Knebel. Geräusche und Gerüche, Klischees und Phänomene des Reviers machen den Anfang. Auf „Koks, Steine, Scherben”, wie es auf einem der Ruhrmuseum-Plakate heißt, trifft man erst später. Auch auf die Herren Mercator und Kortum, auf kostbare Pokale und Kirchenschätze oder auf die Vogelheimer Klinge, die Beleg für die Siedlung von Menschen vor 280 000 Jahren ist. Einige wenige Leihgaben werden später durch Repliken ersetzt. „Fünf bis zehn Jahre muss so eine Dauerausstellung schon halten”, hofft Historiker Grütter.

Mit 150 000 Besuchern pro Jahr wird kalkuliert, damit orientiert man sich an touristisch attraktiven Einrichtungen wie dem Bergbaumuseum in Bochum oder dem Archäologischen Park in Xanten. An speziellen Führungsangeboten für Schulen, Familien und Gruppen wird noch gebastelt. Denn als Ort des Staunens und Lernens soll das neue Ruhrmuseum ebenso funktionieren wie als Ort des aktiven Erinnerns und der Identitätsfindung.