Essen. Noch nie gab es die Biografie eines deutschen Regierungschefs als „Bilderbuch”. Nächste Woche erscheint „Miss Tschörmänie” und zeigt die Kanzlerin in einem Comic. Das Projekt macht richtig Spaß, ist aber durchaus ernst gemeint.

Wenn ein Bild mehr sagt als tausend Worte, dann liegt das vielsagendste Buch über Angela Merkel vor, das es je gab. Und doch ist es kein ausgeleuchteter Hochglanz-Band, keine Fotostrecke. Dies ist: Merkel – die Biografie. Dies ist: Merkel – der Comic.

Eine Kanzlerinnenbiografie als Comic? Das möchte mancher als Gipfel der Respektlosigkeit sehen, wenn nicht als Untergang des Abendlandes. Er sollte aber doch vorher einen Blick wagen, in das, was der Karikaturist Heiko Sakurai mit der Journalistin Miriam Hollstein schuf. Und er wird sich festlesen. Und er wird sagen: „Ach so war das.” Und er wird widerrufen, dass ein biografischer Merkel-Comic die Disneyisierung der Chronistenpflicht bedeutet.

Im Gegenteil: Sakurais Bilder geben die Antwort auf eine Frage, die nicht wenige sich gestellt haben. Eine Frau, aus dem Osten, Außenseiterin. Und dann: Kanzler! Zwecks clever angelegter Rahmenhandlung legt Sakurai Merkels größten Gegnern und Opfern eben dieses Staunen in den Mund: Da hocken sie am Tag der Bundestagswahl 2009 in einer Bar in Berlin-Mitte. Edmund Stoiber und Gerhard Schröder. Stoiber fragt: „Wie konnte das passieren?” Und Schröder nuckelt an der Cohiba und brummt: „Tja”.

Die junge Angela als Bar-Chefin

Merkel als Comic. Das ist höchst spaßhaft, aber kein Ulk. Hollstein und Sakurai haben präzise recherchiert. Wenn da in Bildern der Weg der Uckermarker Pfarrerstochter von der Wiege bis zur mächtigsten Frau der Republik nachgezeichnet wird, dann ist das nicht klamottig, sondern: wahr. Die Rückkehr ihrer Eltern Richtung DDR, ihr Sieg bei der Russisch-Olympiade. Die junge Angela als Bar-Chefin des Leipziger Studentenclubs und als Gegenteil einer Sportskanone, wie die DDR sie doch so liebte. Und Angie, wie ihr Manfred Stolpe in den wilden Siebzigern mal aus der Patsche half.

„Es ging nicht darum, Angela Merkel mutwillig in die Pfanne zu hauen. Unser Ziel war wirklich eine Biografie, aber natürlich mit unseren Mitteln”, sagt Sakurai (38), dessen Karikaturen viele deutsche Zeitungen drucken, aber auch Londons Guardian und die New York Times. Ein wenig satirisch gefärbte dichterische Freiheit, räumt er ein, walte natürlich auch. Nicht zu knapp, gewohnt pointenreich.

Durch Nicht-Saufen zum Wahlkreis

Etwa in der legendären Elefantenrunde, in der Schröder Merkel das Kanzleramt absprach. Da zeigt der Comic Merkels stoisches Gesicht, aber nicht nur das. „Jetzt bloß nicht heulen”, lassen die Biografen Merkel denken. Sakurai und Hollstein thematisieren auch die permanente Unterschätzung, die zusammenfiel mit der taktischen Raffinesse, mit der „Kohls Mädchen” manchen Mann hinter sich ließ. „Das Naivchen!” denkt Stoiber „Graue Duckmaus”, so Koch. Und Schröder ist geradezu fassungslos: „Durch Nicht-Saufen zum Wahlkreis – das ist mal neu!” Diese Biografie lässt uns in Seelen blicken, frech, präzise und aktuell bis in die Debatte um die Pius-Bruderschaft.

Augen, halbgeschlossen

Der Merkel-Comic. Ist das nicht auch für Schulen wie geschaffen? „Bei meiner Asterix-Lektüre habe ich damals eine ganze Menge über das Römische Reich gelernt”, sagt Heiko Sakurai, auch wenn er sich, bescheiden, nicht mit dessen Schöpfern messen will. Was er an Merkel am liebsten zeichnet? Diese Augen, halbgeschlossen, „bei denen man nie so richtig weiß, was dahinter steckt. Sie sind der Schlüssel zu ihrer ganzen Person.”

Sakurai, Hollstein. Miss Tschörmänie. Wie aus Angie unsere Kanzlerin wurde. Eichborn, 64 S. 9,95 Euro. Nächste Woche im Handel