Essen. John Grisham legt sein 21. Werk vor. Ein Titel wie gewohnt: "Der Anwalt". Und wie gewohnt ist das Buch drehbuchkompatibel und von flotter Schlichtheit. Inhalt: Ein aufstrebender Jungjurist, eine geheimnisvolle Organisation, eine mutmaßliche Vergewaltigung, Militärgeheimnisse, Firmenspionage.
Aus literarischer Sicht ist der schreibende Jurist John Grisham ein One-Hit-Wonder. Sein erster Roman traf das Herz Amerikas und den Kern amerikanischer Rechtsprechung: Ein schwarzes Mädchen wird vergewaltigt, ihr Vater erschießt im Gerichtssaal ihre Peiniger. „Die Jury” muss das Urteil über ihn fällen. Eine Erstauflage von nur 5000 Exemplare druckte ein kleiner Verlag von diesem nachdenklichen Werk, 1988 war das – und der Anfang einer Karriere.
Dann entdeckte der Film John Grisham: Erst das Interesse einer Produktionsfirma machte seinen Folgeroman für einen Großverlag interessant. Der Zweitling „Die Firma” erzählte die Geschichte eines aufstrebenden Jungjuristen, der so aussieht wie Tom Cruise und in einer großen Kanzlei spionieren soll. Macht! Moral!
So, nun wissen Sie alles über Grishams aktuelles Werk.
Klischeebeladene Hölle der Großkanzleien
Denn in seinem nunmehr 21. Roman beginnt der Autor, ganz Anwalt der Unterhaltungsindustrie, seine ersten Erfolge einer Wiederverwertung zuzuführen. Kyle Mc-Avoy, aufstrebender Jungjurist, soll in einer großen Kanzlei spionieren. Eine geheimnisvolle Organisation erpresst ihn: mit dem Mitschnitt einer mutmaßlichen Vergewaltigung, die eine Handykamera während einer Studentenparty filmte. Den politischen Hintergrund bildet ein Auftrag des Pentagons zum Bau eines Hyperschallbombers.
„Militärgeheimnisse. Technologiediebstahl. Firmenspionage. Auslandsgeheimdienst. Androhung von Klage oder gar strafrechtlicher Verfolgung. Es war ein riesiger, schmutziger Sumpf, und er, Kyle McAvoy, sollte sich nun hineinstürzen.” Dabei hatte Kyle, der Gute, sich doch eine Karriere als Anwalt der sozial Entrechteten erträumt.
Wie Kyle letztlich der klischeebeladenen Hölle der Großkanzleien (und dem teuflischen Jahresgehalt von 200 000 Dollar) entkommt, das beschreibt Grisham drehbuchkompatibel – in gewohnt flotten Szenenfolgen und gewohnt eindimensionaler Sprache. Selbst am politisch Aktuellen schlittert er diesmal leider vorbei: Rüstungswahn ist wohl kaum noch das erste Thema in Obamas USA.
John Grisham: Der Anwalt. Heyne Verlag, 448 Seiten, 21,95 Euro.