Essen. Stalking ist ein gruseliges Thema. Wenn der Klappentext noch „rasiermesserscharfe Dialoge, schwarzen Humor und tödliche Spannung“ verspricht, heißt es Zugreifen. Zu finden sind bei Jason Starrs "Stalking" Dialoge Spätpubertierender, kaum Spannung - nichtmal die Morde sind messerscharf.
Stalking ist mittlerweile kein neues Thema mehr, aber nach wie vor eine gruselige Vorstellung. Wenn dann der Klappentext noch „rasiermesserscharfe Dialoge, schwarzen Humor und tödliche Spannung“ verspricht, greift man halt zu. Zu finden sind jedoch Dialoge spätpubertierender Gerade-Nicht-Mehr-Studenten, kaum Spannung – und noch nicht einmal die Morde sind messerscharf.
Von Stress mit Jungs bis zu bösen Chefs
Ein Jogger läuft atemlos durch einen dichten Wald, sein Hund schert aus, stößt auf eine kalte Hand, die aus dem Boden ragt, ein lauter Schrei hallt durch den nebligen Morgen. Krimi-Anfänge wie diesen kennt jeder. Polizeirufe und Tatorte fangen so an. Zugegeben: Es ist nicht gerade originell. Aber es ist ein Anfang, bei dem es direkt zur Sache geht. Wir kennen die Leiche, wir kennen den Ermittler, wir wissen, worum es geht.
Bei „Stalking“ von Jason Starr fängt dieser Teil auf Seite 212 an. Und selbst an dieser Stelle ist der Mord nicht spannend.
Bis zur Seite 212 lernen wir die kleine Katie kennen. Katie Porter hat gerade ihr Studium abgeschlossen, ist für ihren Job vom beschaulichen Massachusetts ins große, hektische New York gezogen, arbeitet sehr viel und bis spät abends in einem Büro, und das bei einem Chef der nicht immer nett zu ihr ist, ihr sogar schon mal aufs Dekolleté geguckt hat.
Katie ist also eine verzogenes Mädchen, das ständig shoppen geht, wenn es ihr nicht gut geht. Klar. Mit den Jungs läuft es auch nicht so gut. In Dialogen mit ihrer Freundin erfahren wir, wie „unglaublich süß“ Katies Freund Andy ist. Was Katie nicht weiß, ist dass Andy nur auf heißen Sex aus ist, sie nur ausnutzen will. So weit, so College.
Dann kommt Peter Wells ins Spiel. Als Leser lernen wir ihn schon auf der ersten Seite kennen. Klar, der Junge ist arrogant. Klar, er ist in Katie verschossen, will sie um jeden Preis bekommen. Klar, er hat jede Menge Kohle und ein Apartment, das er bereits für sich und Katie einrichten lässt. Und klar – er hat einen Hau. Natürlich beschließt Peter, dass Andy nicht gut genug ist für seine Katie. Das Unglück nimmt seinen zu erwartenden Lauf.
Unschuldige Charaktere
Aus der Story hätte man, so vorhersehbar sie hier klingt, etwas machen können. Zumal Stalking ein Thema ist, bei dem sich bei Frauen eh schon die Nackenhaare aufstellen. Auch das Täterprofil von Peter Wells ist nicht unschlüssig. Doch Jason Starr macht nichts daraus.
Starr zeichnet für seine Hauptfigur Katie einen Charakter, der an die Darsteller von „Beverly Hills 90210“ erinnert – und das bei der unschuldigen ersten Staffel. Sie isst Salat, geht ins Fitnessstudio, hat Sorgen darum, zweimal hintereinander das gleiche Büro-Outfit zu tragen – und sie findet ihren Chef, der so um die vierzig ist, „alt“ – und alte Männer widern sie an. Aha.
Ihr „College-Boy“-Freund ist auf so eine unschuldige, draufgängerische Art böse, dass man als Leser auch nicht richtig sauer auf ihn sein kann. Und Peter, der Stalker, ist ebenso durchschaubar. Auch, dass der ab Seite 218 ermittelnde Detective John Himoto ein Motivationsproblem und einen Konflikt mit seinem schwulen Sohn hat, kann nicht mehr viel rausreißen.
Auch, dass die Geschichte jeweils aus allen Perspektiven genauestens geschildert wird – also eine Situation in mindestens zwei Sichtweisen, die dann anschließend noch der besten Freundin oder eben der Polizei erzählt werden – sorgt nicht gerade für den Schwung, den der Roman bis zum Schluss nicht aufnehmen kann. Schade.
Jason Starr. Stalking. Diogenes-Verlag. 523 Seiten.