Herne. . Das diesjährige Motto der “Tage Alter Musik lautet“ Kult – und längst ist das Festival in Herne selbst zu einer Kult-Veranstaltung geworden.

Auch angenehm: So alt können die Besucher dieses Festivals gar nicht werden, dass sie je die Werke oder Instrumente an Jahresringen überbieten. Hernes „Tage Alter Musik“ sind zwar nicht das älteste Musik-Festival, aber sein Gegenstand zählt von Beginn an zu den Hochbetagten.

Im Dezember 1976 erklangen zum ersten Mal im Festspielgewand Werke aus Renaissance und Barock. Als edles Beiwerk. Denn am Anfang eines Musikfestes, das längst einen überregionalen Ruf hat, stand nämlich eine Ausstellung kostbarer historischer Instrumente. Hernes Kulturdezernent und Stadtdirektor Joachim Hengelhaupt bahnte mit Ausdauer einer Institution den Weg. Als 1979 eine Musikreihe „Die Flöte“ veranstaltet wurde, plakatierten über Nacht feixende Alternative — setzten Hengelhaupts Konterfei über den Schriftzug „Die Flöte“. Was geschah? Die Popularität der Reihe litt nicht im Geringsten. Bald wurde der Westdeutsche Rundfunk zum Partner.

Er überträgt bis heute sämtliche Herner Konzerte übers Radio und hat aus dieser Stadt über die Jahrzehnte Prominenz wie Frans Brüggen und William Christie und Nicholas McGegan gesendet. Ein Liebhaberfestival, gewiss. Aber als die „Tage Alter Musik“ ins Leben gerufen wurden, waren Barockmusik oder Countertenor-Gesang noch keine regelrechten Chartstürmer der Klassik.

Sonnenkönig und Freimaurer-Töne

Kreuzkirche und Archäologisches Museum, Kulturzentrum und Zeche „Unser Fritz“ sind heute die Spielorte. Die Konzerte stehen im Mittelpunkt, doch sind die Begegnungen von Musikern, In­strumentenbauern und Historikern nicht weniger wichtig.

Immer sind diese Festtage Alter Musik von einem Motto getragen, mal galt es allein „Frauen in der Musik“, mal Spielarten der „Odyssee“. Von heute bis zum Sonntag mit der wuchtigen Barockoper „Camilla“ als Ausklang lautet das Motto: „Kult“. Der gilt gleich mehreren Phänomenen, die sich in der Musik spiegeln. 2015 ist der 300. Todestag des Sonnenkönigs, Personenkult also, es gibt Paganini (Star-Kult!), aber es geht auch um Mode und Ritus. Man lauscht in zehn Konzerten, wie die „Turkomanie“ sich bis in die Noten schlich, stellt Abende lang christliche Spiritualität ins Zentrum, aber auch späteres Freimaurertum, wie Mozarts und Cherubinis Werke es aufnahmen. Und mit Ludgerus in Werden grüßt man augenzwinkernd, den „Heiligen des Ruhrgebiets“ in einem eigenen Konzert.

Frisch und neugierig

Kult sind die Herner Tage für Alte Musik durchaus selbst geworden. Und wer glaubt, es sei ein verstaubter Blockflötentreff ohne Humor und Mut, der wage probehalber den Weg. Wie frisch die Szene ist, wie neugierig, beweist sie Jahr für Jahr.

Dass eine Sache ziemlich alt ist, bedeutet mitnichten, es wäre schon alles gesagt, gespielt, gesungen, ausmusiziert sozusagen. Fast jeder Jahrgang hat Ausgrabungen, Entdeckungen und also – für uns Zeitgenossen – Uraufführungen gebracht.

Festivalpass: 126 (erm. 63) €, Einzelkarten: 19 (8) € im VVK, AK: 21/11 €. www.tage-alter-musik.de