Bonn. . Das Staunen lernen Besucher aktuell in der Bonner Bundeskunsthalle. Sechs Jahre nach dem Tod von Hanne Darboven werden dort nun Installationen der bekannten Konzeptkünstlerin gezeigt – eine Retrospektive.

„Mein Geheimnis“, pflegte diese Künstlerin zu sagen, „ist, dass ich keins habe.“ Und doch, in die Welt der Hanne Darboven einzutauchen, heißt auch sechs Jahre nach ihrem Tod immer noch: das Staunen lernen. In der Bonner Bundeskunsthalle wird man nun von der Mega-Installation „Kinder dieser Welt“ empfangen, eine Schlüsselarbeit der Künstlerin. Sie scheint einen leichten Zugang zu bieten: An allen Ecken und Enden Holzspielzeug, Kasperlepuppen, Metallspielzeug, Kinderbücher und anderes Kindheitsinventar, das Hanne Darboven in ihrem Atelierhaus im Hamburger Stadtteil Rönneburg sammelte.

Werbekarten der Kaffeefirma

Der Kern dieser Arbeit aber sind die 200 Bände, die in den Vitrinen in der Mitte zu sehen sind, einige von ihnen aufgeschlagen, so dass man Darbovens System bei der handschriftlichen Fixierung der Jahre 1900 bis 1999 erkennen kann. Jedes Buch besteht aus sechs zusammengebundenen Schulheften, mit lauter durchbuchstabierten Zahlen, der Grundlage für Darbovens ebenso logische wie am Ende bedeutungslose Quersummenrechnungen. Ebenso logisch wie ihre in dieser Installation per Kopfhörer eingespielten Kompositionen, die über Zahlenfolgen komponiert waren (und dafür erstaunlich tonal klingen, eine Art Minimal Music mit Blechbläsern).

Dass ihrem Vater die Harburger Kaffeefirma J. W. Darboven gehörte, sicherte ihr zeitlebens finanzielle Unabhängigkeit. Spuren dieser Kaffeefirma, Werbepostkarten mit 100 berühmten Bauwerken, Landschaften und anderen Sehenswürdigkeiten nämlich, hat sie verarbeitet in dem wandhohen Werk „Weltansichten 00-99“ aus 1400 Einzeltafeln. Dafür musste man in Bonn die Fußleisten im gut fünf Meter hohen Saal des Museums abschrauben, sonst hätte es nicht hineingepasst. Auch hier ist das ganze Jahrhundert gegliedert in ein Zählsystem von Wochen, Tagen und Stunden, das 1982 auf der Biennale in Venedig mit dem Silbernen Löwen ausgezeichnet wurde. Das aber vor allem Hanne Darbovens Generalziel diente, ihre Kunst unbrauchbar zu machen für Politiker. Wer die vielen Schreibbögen und Zahlen, die hier die Wände geradezu pflastern, Revue passieren lässt, kommt leicht auf den Gedanken, dass man das auch leichter hätte haben können.

Gleich drei Versionen ihrer „Schreibzeit“ mit Tinte auf Transparentpapier (2584 Blatt und 116 Blatt Notizen in der „Urfassung“) dokumentieren diese Hermetik auf eine Weise: allein schon durch ihre Hartnäckigkeit und die schier unermessliche Hand-Arbeit, die dahintersteckt. Wie hier muss es, leider, allzu oft beim Staunen bleiben, unverstanden und ohne Berührung.