Bonn. Es gibt nicht wenige Experten, die Nike Wagner für die geeignetste Wagner-Nachfahrin an der Festspielspitze in Bayreuth gehalten haben. Doch daraus wurde nichts. Am Dienstag wird die Urenkelin Wagners und Ururenkelin Franz Liszts 70 Jahre alt.

Zehn Jahre Weimar, nun Bonn. Und doch immer wieder Bayreuth. Wer Wagner heißt, kann die Festspiele und den berühmten Ahnherrn eben nicht einfach abstreifen. Nike Wagner wollte das auch nie.

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Obwohl sie sich als Leiterin des Kunstfestes Weimar und nun als Intendantin des Beethovenfests in Bonn eigene Felder erschlossen hat. Richard Wagners Leben und Werk - das ist immer auch ihr Thema.

Am 9. Juni wird die Urenkelin Wagners und Ururenkelin Franz Liszts 70 Jahre alt. Die Verbindung zu dem schillernden und polyglotten Virtuosen, sie ist Nike Wagner besonders wichtig. In Weimar konnte sie als Chefin des Kunstfestes an einer früheren Wirkungsstätte Liszts arbeiten.

Kindheit im Schatten des Grünen Hügels

"Weimar war ein Glücksfall für mich: Freiheit in der Programmierung, das Einbringen von zeitgenössischer Musik und Kunst, das Lernen vom Ost-Erbe, der local hero Franz Liszt. Damit ließ sich umgehen, das gab ein Spielfeld."

Nike Wagner wuchs mit ihren Geschwistern in Bayreuth auf. Ihr Vater Wieland Wagner erneuerte gemeinsam mit seinem Bruder Wolfgang die Festspiele nach den bleiernen Jahren des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs.

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Es war eine Kindheit im Schatten des Grünen Hügels, in einem weltberühmten Clan. Der Bruch kam mit dem Tod Wielands 1966. Onkel Wolfgang war nun der Alleinherrscher in Bayreuth. Die Familie des Bruders wurde ausgebootet. Nike sollte später eine der schärfsten Kritikerinnen Wolfgang Wagners werden.

Versuche die Leitung der Festspiele zu übernehmen, scheiterten

Zweimal scheiterte ihr Versuch, die Leitung der Festspiele zu übernehmen. Obwohl nicht wenige Experten der Meinung sind, Nike Wagner wäre unter allen Nachfahren die beste Wahl gewesen, um das weltberühmte Festival fit für die Zukunft zu machen. Doch daraus wurde nichts.

Der Wolfgang-Stamm hat sich durchgesetzt, inzwischen sitzt Katharina Wagner, die 33 Jahre jüngere Cousine, fest im Sattel. Und Nike diagnostiziert schonungslos: Bayreuth sei in einer tiefen Krise - "leider nicht in einer besonders fruchtbaren".

Über die Richard-Wagner-Stiftung ist die promovierte Literaturwissenschaftlerin ("Karl Kraus und die Erotik der Wiener Moderne") weiterhin in das Geschehen in Bayreuth involviert. Sie und ihre Geschwister fürchten eine Entmachtung der Stiftung, die eigentlich 1973 gegründet wurde, um den künstlerischen Nachlass Richard Wagners zu pflegen. Außerdem ist die Stiftung Eigentümerin des Bayreuther Festspielhauses.

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Die Rechte der Stiftung würden derzeit von den Geldgebern der Festspiele ausgehebelt, kritisiert Wagner: "Mein Familienzweig - Wieland Wagners geistigem Erbe verpflichtet - kämpft schon seit langem gegen das Aushöhlen der Rechte der Stifterfamilie in der Stiftung. Aber da gibt es die nahezu unendlichen bayerisch-oberfränkisch-mäzenatischen Kungeleien. Fifa ist überall."

Nike Wagner lebt in Bonn, Wien und Berlin

Ihr Familienzweig erwäge eine Klage. Erfreulicher gestalteten sich viele andere Kapitel in ihrer Biografie. Zu ihrem Abschied aus Weimar erntete Nike Wagner viel Lob in der Klassikerstadt: Unter der Intendanz von Wagner habe das Kunstfest und damit das Kulturland Thüringen an Glanz, an Ausstrahlung und an internationalem Renommee gewonnen, urteilte etwa die frühere Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) im Jahr 2013.

Im Vorjahr wechselte Wagner dann nach Bonn. "Und schon wieder Familienbande: Bei Beethoven hat Wagner das Komponieren gelernt und auch Liszt war bedingungsloser Beethoven-Fan." Der Einstieg ins Rheinische sei also "angenehm vorprogrammiert", sagt Wagner, die in Bonn, Wien und Berlin lebt.

Ihre Ziele formuliert sie so: "Wir müssen Beethoven in Bonn festigen und in die Gegenwart ziehen und zugleich neue Wege suchen: ein Festival in seinem widerborstig-eigenwillig-kreativen Geist machen." Ihren runden Geburtstag feiert sie nicht am eigentlichen Datum, sondern erst später - "mit Klavier und Posaune, mit Lust und Liszt". (dpa)