Recklinghausen. Frank Hoffmann inszeniert „Die Nashörner“ bei den Ruhrfestspielen. Die Nashornverwandlung ist nicht weniger als als ein theatralisches Juwel.

Wer, wie Ruhrfestspielchef Frank Hoffmann, die 2015er Saison unters Motto Frankreich stellt, kann das nicht ohne Eugene Ionesco tun. Hoffmann wählte „Die Nashörner“.

Ionescos Gleichnis einer grassierenden ideologischen Ansteckung stempelt der Regisseur nicht als Pegida-Plumpheit ab. Im Gegenteil: Es ist eine Deutung, die – gestützt von Jasna Bosnjaks 50er-Jahre-Kostümen – sanft historisch daherkommt, hingetupft, hübsch clownesk. Zugleich aber ist der Eintritt der Nashörner in den geordneten Kleinbürgerkosmos – jene Absurdität, die das Stück dem gleichnamigen Theater zuordnet – an diesem, mit 95 Minuten erfrischend kurzen Abend lang nie eine Bedrohung.

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So komisch und artistisch, so unbeschwert lässt Hoffmann (auch im Parkett!) sein Ensemble agieren, dass Wohl und Wehe dieser freundlichen Aufführung nahe beieinander liegen. Die Geschichte, zu der der „Spielmannszug Disteln-Backum“ den Takt schlägt, ist an der Oberfläche gut erzählt. Das unentrinnbar Menschenvernichtende aber, mit dem Ionesco den Nihilismus aller Gleichschaltung entlarvt, da die Provinzbevölkerung zur Nashornrotte wird, spüren wir kaum. Am Ende vielleicht, als Wolfram Koch (Behringer) als letzte fühlende Seele schon eingekerkert ist. Er ist ein Käfig für ihn geworden, jener Widerstand, den Christoph Rasches clever-bewegliche Bühnenwelt aus Gehege und Stallspänen schließlich umgittert.

Durch Tempo gefährdet

Aber das anrührende Finale, verhustet von einem passgenau amüsierbereiten Premierenpublikum, ist eine Rarität im lichten Sommermärchen auf dem grünen Hügel. Im Gegenzug reißen Koch und der erzcharmante, doch aufgrund des Tempodrucks sprachlich gefährdete Samuel Finzi in einem soliden Ensemble grandiose Possen. Finzis Nashornverwandlung: nicht weniger als ein zoologisch-theatralisches Juwel.

Der Abend bleibt: eine Dressur. Das Ungezähmte hat es sich gemütlich gemacht in Recklinghausen. Kein Wunder, gleich neben dem Festspielhaus ist ein Streichelzoo; der Eintritt ist frei.