Essen.. Die Mega-Schau „China 8“ zeigt zeitgenössische Fotografie im Essener Museum. 24 Positionen in höchst unterschiedlicher Manier.
Die neuen Fotografinnen und Fotografen Chinas gehen mit so viel Experimentierlust und Willen zur Grenzüberschreitung zu Werke, dass die oft etwas blasiert und verkopft wirkende Kollegenschaft im Westen dagegen alt aussieht. In China reißen sie das Foto-Papier auf, bis es aussieht wie eine Explosion im Comic, sie fotografieren Fabriken und Gewerbegebiete in Schwarzweiß und färben nur den Qualm oder den Staub giftgelb, glosend orange oder cyanidblau. Sie richten ihr Objektiv in den Himmel, wenn sie vor Hausfassaden stehen, komponieren Hieronymus-Bosch-Landschaften der Verworfenheit mit echten Menschen, dekorieren auf flimmernden Bildschirmen nackte Leiber beim Liebesspiel mit Science-Fiction- und Kirmesflackern oder sie setzen gezeichnete Figuren in ihre fotografierten Landschaften.
Vor Kritik an Zuständen und Verhältnissen im heutigen China scheuen die 24 Fotografen, die derzeit im Rahmen der großen China-8-Schau im Essener Museum Folkwang ausgestellt werden, jedenfalls nicht zurück. Li Zhengde dokumentiert den Einzug von Kitsch und Kommerz in Kinderwelten, Chen Wei hält die einzeln stehende Tür fest, die sich aus den letzten Spuren von nicht ganz weggeräumtem Bauschutt erhebt – der rasende Bauboom Chinas, der eine ganze, in Jahrhunderten gewachsene Alltags- und Lebenskultur hinwegfegt, beschäftigt die chinesischen Fotografen (wie Jian Dengyi) ebenso wie Bildhauer und Maler. Eason Tsang Ka Wai dokumentiert zudem, was an Stelle des alten Bauens und Wohnens tritt: Seine Hochhausfassaden aus der Froschperspektive („Landmarken“) wirken wie seltsam geordnete Landschaften, Zeugnisse einer industriellen Massenkonfektion fürs Wohnen, die auf Balkonen und in Fenstern anarchisch durchbrochen wird von der Sehnsucht nach Individualität.
Es gibt in China aber selbstverständlich auch die Fotografen mit den eher geometrischen Interessen, Xiao Xiao lichtet Fenster ab, durch die man auf die Gittermuster von Fenstern draußen blickt, Wang Ningde verfremdet Fotos mit aufgesetzten Aluminium-Blechen, durch die das Licht der Scheinwerfer Muster auf dem Bild erzeugt.
Genreüberschreitungen, nicht nur zur Zeichnung und zum Video gehören oft zum Programm, und wenn Wang Youshen auf seinen Bildern die Motive wegzuwaschen scheint, dann könnte das auch eine Reaktion darauf sein, dass er in den vergangenen zehn Jahren zweimal eine Zwangsräumung seines Ateliers erleben musste.