Wien. . Für Finnland tritt die Band „Pertti Kurikan Nimipäivät“ an – drei der Männer haben das Down-Syndrom, einer ist Autist. Alle lieben die Punk-Musik.
Inklusion beim Eurovison Song Contest. Für Finnland tritt im diesen Jahr die Gruppe „Pertti Kurikan Nimipäivät“ (PKN) an. Das Besondere an ihr? „Die Mitglieder unserer Band sind vier Männer mittleren Alters, die alle geistig behindert sind“, sagt Bassist Sami Helle. Drei haben das Downsyndrom, einer ist Autist. Und alle lieben Punk-Musik.
Da fläzen sie sich nach den ersten Proben auf einem großen Sofa und sehen zufrieden aus. Ob sie schon wissen, was sie machen, wenn sie gewinnen, fragt sie jemand. „Klar“, sagt Pertti Kurikan und Kari Aalto, Sami Helle und Toni Välitalo nicken. „Feiern. Große Party machen.“ Gleich nach dem Finale des Eurovision Song Contest.
Das kürzeste Lied in der ESC-Geschichte
Aber vorher müssen sie noch singen. Zwei Mal mindestens. Am Dienstag im Halbfinale und am Samstag in der Endausscheidung. Macht zusammen keine drei Minuten. Denn ihr Lied geht gerade einmal 85 Sekunden. Es ist das kürzeste in der Geschichte des europäischen Gesangswettbewerbes. Das hat allerdings weniger damit zu tun, dass sich die vier längere Songs nicht merken könnten, sondern mehr damit, dass Punk-Lieder nun einmal meist recht kurz sind.
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„Aina mun pitää“ heißt die Nummer – auf deutsch „Immer muss ich“. Sänger Kari Aalto mault darin lautstark über alle Dinge, die er in seinem Alltag so machen muss, auch wenn er sie gar nicht machen will. Geschirr spülen, auf die Ernährung achtem, zum Arzt gehen, duschen oder auf Alkohol verzichten. Mit klassischen ESC-Liedern hat das so viel gemeinsam wie ein Formel Eins-Bolide mit einem Familien-Van. Rau und ohne Melodie ist der Song. Ist eben Punk. „Aber Punk“, sagt Sami Helle, „ist ja auch Musik.“
Ihre Musik, seit sie sich 2009 bei einem Workshop für behinderte Musiker in einer Beratungsstelle im Bezirk Kallio im Norden Helsinkis kennenlernten. Drei Jahre später wird ein Dokumentarfilm über die Band gedreht. „The Punk Syndrome“ läuft auf vielen Festivals in aller Welt, PKN ist seitdem gut im Geschäft – vor allem in Skandinavien.
„An die Größe der Bühne müssen wir uns noch gewöhnen“
Der ESC aber, das haben sie schon gemerkt, ist noch eine andere Hausnummer. „An die Größe der Bühne müssen wir uns noch gewöhnen“, gesteht Namensgeber und Gitarrist Pertti Kurikan. Und an den Rummel wohl auch. Dennoch wollen sie keine Kompromisse eingehen. Weder musikalisch, noch optisch. „Wir werden für niemanden unseren Stil ändern, sondern bleiben uns treu“, hat Sami Helle in einem Interview mit der BBC versprochen und die ersten Proben beweisen, dass die Band dieses Versprechen hält. Mit Lederjacken oder Westen stehen sie da, wirr ist das Haar, bunt sind die Sticker an den Klamotten.
Sie singen für ihr Land
Mit der auch in Wien schon wieder viel beschworenen Toleranz tun die Finnen sich dabei anscheinend schwer. Sie sagen es zwar nicht offen, aber ihnen wäre es wohl lieber, wenn sich nicht jede zweite Frage um ihre Behinderung drehen würden. „Unser vorrangiges Ziel ist es nicht, Einstellungen zu verändern“, beteuert Helle dann auch. „Unser Hauptziel ist, nach Wien zu reisen, eine gute Show zu machen, in der die Musik zuerst kommt.“ Wenn sie dadurch anderen Menschen mit Handycaps Mut machen, umso besser.
Und wenn sie gewinnen, dann bitte wegen ihrer Musk. „Wir wollen“, stellt Helle selbstbewusst klar, „keine Mitleidspunkte.“ Im Grunde, findet er, unterscheide sich die Band ja auch gar nicht so sehr von den anderen Künstlern. „Eigentlich sind wir ganz normale Jungs mit einer geistigen Behinderung.“