Recklinghausen. . Die Uraufführung des literarischen Weltmusikprogramms „Die Schriften von Accra – 9 Geheimnisse“ war bei den Ruhrfestspielen zu erleben: Ute Lempers Chansons zu einem Paulo-Coelho-Roman.

„Ich danke Dir“, ruft Ute Lemper in den herzlichen Applaus hinein, mit dem das Premierenpublikum sie, die fantastische Band, den Regisseur Volker Schlöndorff nach der Uraufführung des literarischen Weltmusikprogramms „Die Schriften von Accra – 9 Geheimnisse“ verabschiedet, „ich danke Dir, Paulo, für Deine Inspiration“.

Der Adressat der Dankesnote, der brasilianische Bestsellerautor Paulo Coelho, ist nicht nach Recklinghausen gekommen, und vermisst hat ihn wohl kaum jemand. „Das Programm ist klasse, die Lemper ist einfach toll“, bilanziert mein Sitznachbar, der eigens aus Berlin angereist ist, um die wohl einzige deutsche Musical- und Chanson-Sängerin von Weltrang einmal live auf der Bühne zu erleben, „aber Coelho wird dadurch auch nicht besser.“

Die musikalische Reise ist bewundernswert

Gut 100 Minuten zuvor: Auf laubbedeckter, abgedunkelter Bühne nehmen sechs Musiker Platz, auf der Panoramaleinwand im Hintergrund ziehen Sterne ihre Bahnen, irrlichtern Elmsfeuer, später bestimmen Aufnahmen antiker Tempelruinen und Stätten das filmische Geschehen. Die Idee zu dieser „cinematischen Einrichtung“ stammt von Volker Schlöndorff, der für die Umsetzung auf den österreichischen Zeitraffer-Spezialisten Christoph Malin zurückgegriffen hat. Eine verhüllte Gestalt erscheint und erzählt, zu den leisen Klängen von Oud und Rebab, von den geheimnisvollen Schriften von Accra, in denen wenige Stunden vor der Eroberung Jerusalems durch die Kreuzritter im Jahr 1099 ein weiser Mann die „letzten Fragen der Menschheit“ beantwortet.

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Für einen kurzen Moment verweht der Hauch des Mystischen, ändert sich die Grundstimmung. „Go, travel the world“ singt Ute Lemper, die bald ihren Umhang ablegen und im allerbesten Sinne zur „deutschen Greco“ werden wird, mit hinreißender Gospelstimme. Die musikalische Reise, die damit eröffnet ist und die wie selbstverständlich die Gefilde von orientalischen (Sufi-)Klängen, Latin, Jazz, Klezmer oder Musette eint, ist wirklich bewundernswert. Denn Ute Lemper, die ganz dezent agiert, bestreitet nicht nur den Abend mit ihrer wandlungsreichen, ausdrucksstarken Stimme. Von der 51-Jährigen stammen auch, bis auf ein eingebautes jiddisches Volkslied, sämtliche Kompositionen.

Coelhos Glückskeks-Parolen sind allgegenwärtig

Die freilich folgen den Themenvorgaben des so genannten Romans, aus dem Ute Lemper Inspiration und Texte für ihre Lieder bezogen hat. Und das macht es so schwer, manchmal fast unmöglich, sich allein auf die Musik zu konzentrieren, sich einfach nur an Lempers großer Kunst und an der Spielfreude der sechs Multiinstrumentalisten zu erfreuen. Denn in seinen Texten ist Coelho allgegenwärtig. „Don’t repay hatred with weapons“, „Justice needs to be shown, not understood“, „La solitude ne change pas l’amour“, „Einsamkeit ist die Bedingung des Menschseins, Liebe ist die Bedingung des Lebens“ und „Liebe ist die einzige Religion“: Ob Lemper nun auf Deutsch, Französisch, Englisch oder Portugiesisch singt – es will nicht gelingen, nicht auf Coelhos mystisch verschwurbelte Kalenderblattweisheiten, esoterische Predigten und triviale Glückskeks-Parolen zu achten.

Hoffentlich findet Ute Lemper für ein neues Projekt eine andere Inspiration. Coelho hätte sicher den passenden Motivationsspruch parat.