New York. Der Terrormiliz Islamischer Staat fallen einzigartige Kulturgüter in die Hände. Der Handel bringe den Extremisten Millionen, sagt eine US-Expertin.

Die Extremisten der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) zerstören vieles, was ihrer radikalen Ideologie widerspricht - auch einzigartige altorientalische Kulturgüter und Kunstschätze. Große Stücke werden zertrümmert, kleinere abtransportiert und verkauft.

Der IS nutzt organisierte Verbrechensnetzwerke, das Internet und Auktionshäuser, wie die US-Expertin Deborah Lehr erklärt. So habe die Terrormiliz schon viele Millionen eingenommen, schätzt die Gründerin des Verbands Antiquities Coalition, der die internationale Gemeinschaft dringend zum Handeln auffordert.

Wie groß ist das Ausmaß des illegalen Handels mit antiken Kunstwerken, den der IS betreibt?

US-Expertin Deborah Lehr. (Foto: dpa)
US-Expertin Deborah Lehr. (Foto: dpa) © dpa

Deborah Lehr: Es gibt leider so gut wie keine Statistiken, denn es handelt sich um einen Schwarzmarkt und es ist sehr schwer zu unterscheiden, was legal und was illegal ist. Aber alleine der legale Handel mit Antiquitäten aus Ländern, in denen der IS aktiv ist, bringt Milliardensummen ein.

Außerdem haben wir vor kurzem in Ägypten recherchiert und herausgefunden, dass seit der Revolution 2011 Stücke im Wert von drei Milliarden Dollar geplündert worden sind. Wenn man das vergleicht mit dem Irak und Syrien, wo es viel größere Zerstörungen und viel mehr Plünderungen gab, muss man glauben, dass die Zahlen dort noch viel höher sind.

Auch bei den Statistiken über den legalen Handel sehen wir starke Anstiege und das sagt schon sehr viel aus: Zwischen 2012 und 2013 ist das Importvolumen für Kunst und Antiquitäten aus der Türkei in die USA um rund 80 Prozent gestiegen, aus Ägypten um 56, aus Syrien um 134, aus dem Irak um 492 und aus dem Libanon um 58. Für diese fünf Länder liegt es jetzt zusammengerechnet bei 95,2 Millionen Dollar.

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Was verkauft der IS und aus welchen Ländern?

Lehr: Der IS benutzt Zerstörungen und Plünderungen als Mittel der Einschüchterung. Er geht gezielt gegen Kulturen vor, die ihrer Einschätzung nach ihrem Glauben widersprechen. Den Informationen zufolge, die wir aus unseren Quellen vor Ort bekommen, nehmen sie meist alles mit, was sich von diesen Kulturstätten wegschaffen lässt. Entweder plündern sie selbst oder rufen andere dazu auf. Größere Strukturen zerstören sie. Solche Plünderungen und Zerstörungen wurden schon aus Ägypten, dem Irak, Syrien, dem Jemen, Libyen, Mali und Tunesien gemeldet, es ist ein Problem in der gesamten Region. Uns besorgt nicht nur die Zerstörung der Kulturgüter, sondern auch der Aspekt der Einschüchterung, denn der ist ein Hinweis darauf, dass es hier um kulturelle Säuberung geht - und das wiederum ist ein Frühindikator für ethnische Säuberung.

Wie läuft der Handel ab?

Lehr: Der IS schafft die Stücke über ein Netzwerk aus den Ländern, unseren Erkenntnissen nach häufig über die Türkei oder den Libanon. Dann geht es über organisierte Verbrechensnetzwerke, die sind überall auf der Welt sehr hoch entwickelt und verkaufen alles mögliche. Wenn diese Kanäle erstmal etabliert sind, kann man darüber alles laufen lassen - Drogen, Waffen, Menschen, oder eben Antiquitäten. Im Fall von Ägypten wurden kleinere Stücke über Ebay verkauft, größere über Auktionshäuser. Bei Syrien sehen wir, dass es einen großen Internetmarkt über Fotos und E-Mails gibt. Die einzelnen Stücke kosten bis zu einer Million Dollar oder sogar noch mehr.

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Wer kauft solche Antiquitäten?

Lehr: Es gibt eine große Nachfrage in Europa, den Vereinigten Staaten - dem größten Markt für legale Antiquitäten - den Golf-Staaten, Japan und China.

Wie kann dagegen vorgegangen werden?

Lehr: Es muss gemeinsame Anstrengungen geben. Wir unterstützen, dass die Unesco die Vorgänge als "Kriegsverbrechen" einstuft und dass der Internationale Strafgerichtshof dagegen vorgeht. Der UN-Sicherheitsrat hat eine Resolution verabschiedet, die alle Länder auffordert, ihre Grenzen für syrische Antiquitäten zu schließen. Wir fordern, dass dieses Verbot auf alle betroffenen Länder in der Region ausgeweitet wird. Außerdem organisieren wir gemeinsam mit der Unesco, der ägyptischen Regierung und dem Middle East Institute in Washington eine Notfall-Konferenz in Kairo, wo darüber beraten werden soll, was die Region gemeinsam unternehmen kann. (dpa)