Essen.. Noch dieses eine Programm, dann ist nach 20 Jahren Schluss mit Jupp: Jubel-Premiere für Ludger Stratmanns sechste Bühnenshow „Pathologisch“ in Essen.
Damit die Menschen nicht am Ende mal über ihn sagen: „Das ist doch der aus der Möbelwerbung, der früher mal Kabarett gemacht hat“, hat Doktor Stratmann, der Vater aller Kleinkunstärzte, zu seinem 20-jährigen Bühnenjubiläum noch einmal eine neue Therapie entwickelt – am Samstag feierte sie in Essen unter großem Jubel Premiere. Und damit auch klar ist, dass dies sein sechstes und letztes Bühnenprogramm sein wird, heißt es „Pathologisch“.
Der Pathologe hat sicher einen Termin frei
Zumal der Pathologe ja der einzige deutsche Facharzt ist, „bei dem du noch sofort drankommst“. Und während man früher im Medizinstudium schräg angesehen wurde, wenn man sich für die Arbeit in der Leichenkammer interessierte („brrrr, immer kalt da“), verewigen sich die Pathologen heute im „Tatort“. Aktueller Exitus-Patient auf der letzten Bahre ist natürlich Jupp, Stratmanns Bühnen-Ego, standesgemäß zu Tode gekommen durch Vollkontakt mit einem Zwölftonner-Bierlaster aus Essens letzter Brauerei.
Also wird über den Tod philosophiert, auf das Leben als solches geblickt – und auf seines im Besonderen, etwa auf eine „beispiellose“ Schul- und Ausbildungskarriere, die Volksschule, Gymnasium, Realschule, Volksschule, Handelsschule, Tanzschule, Sparkassenlehre, Abendgymnasium und Medizinstudium umfasst: „Ich hab immer die längsten Aufsätze geschrieben. Aber die waren alle eine Fünf — die Lehrer hatten dummerweise ein Thema vorgegeben.“
Schluss mit dem „Kneipentheater“
Die ebenso umfassende wie spottträchtige Lebensbesichtigung macht weder vor den alltäglichen Eiertänzen mit Gemahlsgattin Inge um die Essenszuteilung halt („meine Diätsuppe, das ist Hühnerbrühe ohne Nudeln, aber mit Stäbchen“) noch vor den Kochsendungen im Fernsehen, die ja auch mit jedem Tag immer mehr von gestern sind. Seine stärksten Momente hat Jupp, wenn er dem Volk noch ein bisschen genauer aufs Maul schaut als sonst und sich der sprachkundigen Feinanalyse von ortstypischen Zeitangaben wie „mawatt“ widmet („ich geh mawatt na Bett: mawatt is länger als en bisken, aber weniger als ewich“) oder einer uralten Rapper-Steilvorlage des Ruhrgebiets wie dem Halbsatz „datt-de-datt-dann-da-ma“.
Das ist so authentisch, dass es manchen schwer fällt, Stratmann und Jupp auseinanderzuhalten, wenn der eine den anderen mit Macho-Sprüchen wieder in seine Rolle zurückfallen lässt: „Frauen sind irgendwie die klügeren Menschen, aber davon wird die Küche auch nicht sauber...“
Der Rundumschlag gegen die programmatischen Untiefen des Fernsehens trifft nicht nur Dschungelcamper, Kochlöffelschwinger und das dauerbegeisterte Publikum in TV-Studios, sondern am Ende auch die eigene Zunft. Etwa den Merkelfrisurkritiker Urban Priol und andere „selbsternannte Sittenwächter unter dem Deckmantel der Kultur“. Der 66-jährige Stratmann will übrigens Ende des Jahres Schluss machen mit seinem kleinen „Kneipentheater“ im WDR-Fernsehen.
Neues Bühnenprogramm ist mehr Stratmann denn je
Die harmlos-liebevolle Verarztung von Revier-Insassen geht Stratmann jedenfalls allemal besser von der Hand als die Operation mit dem satirischen Säbel. Während ein Plagiatsjäger als eine „kleine, hasserfüllte Neidsau“ gilt, hofft Dr. Stratmann (der 1985 über die Literatur zu Zwölffingerdarm-Tumoren „und eigene Beobachtungen“ promovierte) sehr viel witziger, „dass der, der meine Doktorarbeit geschrieben hat, nicht allzuviel abgeschrieben hat“. Sein neues, sechstes Bühnenprogramm aber ist mehr denn je: Original Stratmann.