Castrop-Rauxel.. Das Westfälische Landestheater Castrop-Rauxel brachte Timur Vermes’ Bestseller zur Uraufführung. Ein rasantes Erlebnis fern des Klamauks.

Er fällt auf, dieser orientierungslos durch Berlin irrende Mann mit der braunen Uniform und der schnarrenden Sprechweise. So sehr, dass Passanten eine versteckte Kamera wittern, in ihm einen getarnten Mitarbeiter von Stefan Raab oder der Heute-Show vermuten. Als er wiederum am Kiosk den Völkischen Beobachter sucht und stattdessen ein Magazin in türkischer Sprache erblickt, kommt er nach anfänglicher Irritation zum befriedigenden Schluss: Die Bündnispartnerschaft mit den Türken ist gefestigt…

Wir schreiben den Hochsommer 2011, Adolf Hitler ist wieder da, 66 Jahre nach seinem Tod aufgewacht in einer veränderten Welt. Und die nimmt ihn, den vermeintlichen Schauspieler-Comedian, ob seiner „Originalität“ bald mit Freuden auf.

Satire über die Gier nach Neuem

„Er ist wieder da“ heißt Timur Vermes’ 2012 erschienener, kontrovers diskutierter Roman, dessen von Gert Becker (Dramaturgie und Regie) entwickelte rasante Bühnenfassung am WLT vom Premierenpublikum geradezu frenetisch gefeiert wurde. In seinem Bestseller (bisherige Auflage samt Hörbuch 1,7 Millionen; die Verfilmung soll im Oktober ins Kino kommen) liefert der Journalist Vermes, studierter Historiker und Politikwissenschaftler, keine alternative Fortschreibung der Geschichte à la „Vaterland“ von Robert Harris.

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Er verharmlost aber auch nicht die NS-Geschichte oder überspielt latent rechtes Gedankengut. Die bitterböse Satire greift auf, was der Philosoph Peter Sloterdijk bereits vor mehr als drei Jahrzehnten in seiner Kritik der zynischen Vernunft gegeißelt hat: die Entpolitisierung und Entmoralisierung der Informations- und Unterhaltungsindustrie, die mit Werteverlust einhergehende Gier nach immer Neuerem, Sensationelleren, die Nivellierung und Gleichbehandlung von „Nachrichten“…

Hitler, der vermeintliche Comedian, wird bald von der Fernsehproduktionsfirma Flashlight entdeckt – als lang ersehnte Alternative zu Mario Barth & Co.. Als Mann, der sich so natürlich, so authentisch gibt wie allenfalls noch Stromberg und dessen erfrischend politische Unkorrektheit als aufklärerische Provokation gefeiert wird. Hitlers neue Medienkarriere schreitet konsequent voran, bis auch die etablierten Parteien um seine Mitgliedschaft buhlen.

A. H. gibt es gleich zweimal

In Elke Königs Fertigbau-Bild, das zwischen großstädtischem Beton-Silo, Wolfsschanze und Führerbunker alle Assoziationen zulässt, vermeiden Gert Becker und das exzellente Ensemble (fast alle in Mehrfachrollen) klug alles zu Klamaukige.

Gleich zweimal gibt es A.H.. Burkhard Braun, von Beginn an in schwarzem Zwirn mit Krawatte, ist der gleichsam seriöse Moderator Hitler, der dschungelcampgleich die Ereignisse zusammenfasst und kommentiert. Sein Alter Ego ist Guido Thurk, und wie dieser Schauspieler den allmählichen Wandel vom Uniform- zum Anzugträger vollzieht, wie er zwischen Selbstgewissheit und kleinlauter Unsicherheit schwankt, wie er – bei aller satirischen Zeichnung – grandios die Untiefen platter Karikatur ebenso meidet wie die plakativer Dämonisierung, das ist ein Erlebnis.