Dortmund. Thomas Hengelbrocks Grippe hat der Dortmunder Aufführung von Bachs h-Moll-Messe keinen Schaden zugefügt. Das Konzert wurde vom Publikum bejubelt.
Die sogenannten Einspringer sind im Klassik-Betrieb legendenumrankt. Denn Weltkarrieren sind der Tatsache zu verdanken, dass die Primadonna X ausfiel und der Star Y über Nacht aufleuchtete. Vor diesem Hintergrund war der einer Grippe Thomas Hengelbrocks geschuldete Einsatz von Olof Boman ein angenehm unaufgeregtes Unterfangen.
Uneitel und streng konzentriert, weniger Strahlemann als Diener der Musik: So konnte man den blonden Schweden, der in Kennerkreisen als Chordirigent längst eine Größe ist, im Dortmunder Konzerthaus wahrnehmen.
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Kein Grund zur Nervosität
Dass ein Meilenstein der Musikgeschichte aufzuführen war – kein Grund zur Nervosität. Das mag an Bomans von Akkuratesse geprägtem Kenntnisreichtum liegen, noch mehr wohl an seinen Partnern. Denn wenn man Balthasar-Neumann-Chor und -Orchester mit Stützen des Repertoires in Verbindung bringt, zählt Bachs h-Moll-Messe dazu. Da musizieren hörbar Menschen, die so tief vertraut mit dem Werk sind, dass der Dirigent fast zum primus inter pares wird.
Diesem herausragenden Vokalensemble, dessen Solisten in den Chor integriert sind, machte man ein hohles Kompliment, es „mit einer Stimme“ singen zu lassen. Im Gegenteil: erstaunlich individuell hört man die Sänger, doch nicht als Abweichler, mehr als Anwälte eines herzenswarmen, wahrhaft menschengespeisten Klangbildes. Präzision verhindert das nicht.
Schlanker aber nie sehniger Orchesterklang
Ein Piano noch so voll bei Kraft (und nicht farblos gehaucht) aussenden zu können, das ist größte Meisterschaft. Überirdisch, ätherisch können sie klingen – dann wieder fast lustvoll musikantisch, wie im „Gloria“ zu hören.
Der schlanke, doch nie unschön sehnige Orchesterklang war ein ideales Fundament dieser Vokal-Architektur. Gottvatergleich eskortierten links und rechts die zwei Kontrabässe, dazu Holzbläser von Sängergnaden. Starker Jubel. Am Nikolaustag, 19 Uhr, ist das Ensemble in der Essener Philharmonie. (LvG)
