Jana Steingässer hat mit der Familie die Welt bereist. Ihr Buch „Paulas Reise“ zeigt, welche Folgen der Klimawandel hat und was man tun kann.
Jana Steingässer hat das Buch „Paulas Reise“ geschrieben. Im Interview erzählt die Journalistin und Autorin, was ihre Kinder über Klimawandel und Klimaschutz gelernt haben und wie jeder von uns zu Hause selbst aktiv werden kann. Dafür hat ihre Familie sogar etwas erfunden: die Emelchen.
Wann war Ihre erste Reise mit den Kindern?
Das Projekt begann 2012, da war Frieda, die Jüngste, zwei Jahre alt, als wir nach Grönland gegangen sind. Paula, die Älteste, war zwölf. Das Klimaprojekt läuft immer weiter. Wir machen pro Jahr weiterhin etwa zwei Reisen mit den Kindern. Mittlerweile sind sie 8, 11, 12 und 19 Jahre alt.
Wohin gingen die Reisen?
Grönland war die allererste Reise 2012, dann waren wir in den Alpen, in Südafrika, dann nochmal in Grönland im Sommer. In Albanien waren wir vor zwei Jahren. Es gab auch Reisen, die gar nicht ins Buch eingegangen sind, zum Beispiel Island. Wir waren mit Paddelbooten in Italien unterwegs, außerdem sind wir nach Marokko und Spanien gereist. Ja, und wir waren sehr oft in Lappland unterwegs, hauptsächlich in Schweden.
Wird es zu dem neuen Buch „Paulas Reise“ Vorträge oder Lesungen geben?
Ich mache Lesungen dazu. Es kommen gerade unglaublich viele Anfragen. Diese Lesungen gestalte ich multimedial, sie dauern etwa eine dreiviertel Stunde, danach komme ich mit den Kindern noch ins Gespräch. Wir reden nicht nur darüber, was wir in der Familie zu Hause verändert haben, sondern auch darüber, was jeder bei sich zu Hause verändern kann.
Sie sind vor Ort unterwegs, um zu erleben, was der Klimawandel mit den Menschen macht. Können Sie Beispiele nennen, was Ihre Kinder bei den Reisen gemerkt haben und worüber sie diskutiert haben?
Als wir nach Grönland gereist sind, waren die Kinder noch klein. Mit Paula haben wir schon über den Klimawandel gesprochen. Ihr war klar, um welches Thema es sich dreht. Die ganzen wissenschaftlichen Berichte zum Klimawandel sind wichtig, aber wir fanden, das Thema muss viel mehr ein menschliches Gesicht bekommen. Es geht uns darum, die Geschichten von Menschen, von Pflanzen, von Tieren, von Ökosystemen zu erzählen und zu zeigen, was die Auswirkungen des Klimawandels jetzt schon im Alltag bedeuten und was sie in der Zukunft bedeuten könnten.

In Grönland haben die Kinder deutlich gesehen, wie stark das Leben von der Umgebung abhängt und wie es sich auf die Menschen auswirkt, wenn sich die natürliche Umwelt verändert. Dort wächst nichts, es ist karg, es gibt keine Bäume oder Büsche, im Sommer gibt es ein Kraut mit essbaren Beeren. Es ist keine Landwirtschaft möglich. Die Menschen ernähren sich deswegen von Fleisch. Es ist wichtig, dass sie aufs Eis rausgehen können, also auf die Meereisbedeckung. Und genau diese Fläche zieht sich im Zuge des Klimawandels rasant zurück. Es ist nicht so, dass die Menschen dort deswegen verhungern, es gibt Supermärkte. Aber uns geht es darum, die Konsequenzen zu zeigen. Und es gibt Regionen auf unserem Planeten, in denen die Menschen noch drastischer betroffen sind.
Wie haben die Kinder in den Alpen den Rückgang der Gletscher erlebt?
Die Alpengletscher schmelzen rasant ab. Das kann man gut sehen, denn es sind Jahreszahlen an Steinen angebracht. Es gab mehrere Aha-Momente für unsere Kinder. Am Morteratsch-Gletscher war ein Stein mit dem Jahr markiert, in dem unsere jüngste Tochter geboren wurde, Frieda. Drei Jahre später war der Gletscher kaum mehr sichtbar in der Ferne. Am Rhone-Gletscher haben die Kinder gesehen, dass er im Sommer mit Tüchern abgedeckt wird.
Würden Sie sagen, dass man gar nicht mehr Skifahren dürfte?
Nein, das kommt ganz auf die Skigebiete an. Es gibt sicher Skigebiete, in denen die künstliche Beschneiung keinen Sinn macht, weil es Auswirkungen auf die Umwelt hat. Aber es gibt auch Gebiete, wo die Pisten auch ohne Kunstschnee funktionieren. So allgemein kann man das nicht sagen. Man müsste sich aber fragen: Was ist zukunftsorientiert? Wie wollen wir eigentlich in der Zukunft mit all den Themen zurechtkommen? Macht es Sinn, sich an dem, was man kennt, festzuklammern oder ist es wichtig, auch mal neue Dinge auszuprobieren, die vielleicht in der Zukunft mehr Sinn machen?
Im Buch stellen Sie die Emelchen vor. Was ist das genau?
Wenn es um klimafreundliches Leben geht, gibt es drei große Bereiche, in denen jeder persönlich tätig werden kann. Das sind Ernährung, Mobilität und Energie: E+M+E. In unserer Familie hat jeder sein eigenes Emelchen. Im Bereich „Mobilität“ kann man zum Beispiel Fahrgemeinschaften bilden. Wir haben unsere privaten Autos abgegeben und sind auf E-Lastenräder umgestiegen. Oder die Frage: Wie kann ich bei der Ernährung schauen? Ernährung hinterlässt einen unglaublichen Fußabdruck. Kleine Veränderungen im Ernährungsverhalten reichen manchmal schon und können große Auswirkungen haben. Das gleiche gilt für Energie: Wo nutzen wir Energie? Wo kommt die Energie überhaupt her? Wie viel Energie verbrauchen wir wofür?
Jeder hat seine eigenen Grenzen, deswegen gibt es die verschiedenen Emelchen. Ich würde meine Kinder zum Beispiel nie zwingen, vegetarisch zu essen, auch wenn ich das umweltpolitisch für richtig halte. Paula ist vegan, als Einzige in unserer Familie. Auch in unserer Familie gibt es da verschiedene Abstufungen, bei allen drei Themen. Mal bekommen wir das besser hin und mal schlechter. Das versuche ich auch ein bisschen zu erklären, um auch Mut zu machen.
Sie haben die Autos abgeschafft und nutzen nun E-Lastenräder. Sie wohnen ländlich, aber würden Sie das auch in der Großstadt empfehlen?
Ja, erst recht. Ich weiß gar nicht, warum man in der Großstadt ein Auto braucht. Ich fahre auch mit dem Rad in die Stadt, natürlich ist es etwas riskanter als auf dem Land, aber das Auto ist auch nicht ungefährlich. Und es gibt ja auch noch die Straßenbahn.
Wo gibt es doch mal Probleme in der Familie?
Es ist immer wieder der eigene Schweinehund. Manches ist ein bisschen umständlicher. Wenn wir plastikfrei einkaufen gehen, müssen wir vorher alle leeren Kisten und Gefäße einpacken. Das muss geplant werden, es ist nicht so, dass ich in den nächsten Discounter gehe und –egal wie es verpackt ist – alles kaufe, was ich brauche. Die Organisation ist größer. Und wenn die Kinder spontan mal einen Freund besuchen wollen, der aber nicht in Fahrradnähe oder mit Straßenbahnanschluss wohnt, dann geht das halt nicht. Man muss besser planen. Und man braucht die Einsicht, dass nicht alles immer sofort geht.
Wie schaffen die kleineren Kinder das?
Bei den Kleinen war Müll ein großes Thema. Sie sind die treibende Kraft, dass wir nicht mehr so viel Müll produzieren. Wir machen viele Sachen selbst, zum Beispiel vegane Brotaufstriche, mit Zutaten, die wir unverpackt gekauft haben. Wir machen Waschmittel selbst, die Kinder haben sich neulich Deos selbst gemacht. Es gibt tolle Internetseiten, zum Beispiel Smarticular, da gibt es ganz einfache Rezepte, auch für den Haushalt. Mit Natronessig, Zitronensäure und Soda kann man vieles selbst herstellen.
Sind viele Menschen zu bequem?
Ja, und ich kann das auch nachvollziehen. Der Tipp ist, dass man vieles zusammen macht. Das macht einfach viel mehr Spaß. Man kann es als Erwachsener mit Freunden machen, mit Kindern ebenso. Wir werden oft gefragt: „Vegan? Was sollen wir denn da kochen?“ Da habe ich einfach mal alle Nachbarn eingeladen und wir haben bei uns in der Scheune vegan gekocht. Das war für viele ein Aha-Erlebnis. Es ist gar nicht schwierig, wenn man sich einmal traut, sich da hineinzudenken. Gegen den Strom zu schwimmen, ist anstrengend. Dafür braucht man ein bisschen Mut. Man darf sich trauen, etwas auszuprobieren, und man darf auch scheitern.
Viele Dinge lassen sich im Kleinen umsetzen, aber mit einer Flugreise macht man doch wieder vieles zunichte?
Beruflich ist es für uns unmöglich, nicht ins Flugzeug zu steigen. Aber ich finde, man kann bei Kindern ein Bewusstsein schaffen, was alles möglich ist und auch den nötigen gesellschaftlichen Wandel in Gang setzen. Niemand schafft es, 100-prozentig alles durchzuziehen.
An wen richtet sich das Buch?
Das Buch ist für Kinder ab 10 Jahre gedacht, ich sehe es aber als ein Familienbuch. Erwachsene können auch noch viel dazu lernen. Es gibt die Abenteuergeschichte, die aus Paulas Sicht erzählt ist, dazwischen viele Sachgeschichten, die Fotos und Huhn Emma, das immer Kommentare dazugibt. Es ist kein Buch, das man von vorn bis hinten durchlesen muss. Man kann immer mal wieder ein Stück lesen.
Wo geht es dieses Jahr hin?
Das wissen wir noch nicht. Wir hatten an Schweden gedacht, weil wir so nordaffin sind. Wir arbeiten aber gerade an einem Wasserthema, da passt es vielleicht nicht so gut.
Reisen Sie in den Ferien oder auch mal in der Schulzeit?
Wir haben die Kinder schon oft aus der Schule rausgenommen. Aber je älter sie werden, desto schwerer kann man das machen. Wir versuchen die Reisen schon auf die Ferien zu legen. Wir haben aber auch unabhängig davon berufliche Projekte, bei denen wir die Kinder nicht mitnehmen. Gerade arbeite ich an einem Projekt für das Klimahaus Bremerhaven. Da ist dann zum Beispiel mein Mann bei den Kindern.
War das für Sie etwas sehr Besonderes, dass Paula für das Buch Jostein Gaarder interviewen durfte?
Ja, Paula liebt die Bücher von Jostein Gaarder. Sie hat sich ziemlich verbunden gefühlt mit ihm. Das Buch „Noras Welt“ hat sie unglaublich berührt. Sie hat Jostein Gaarder geschrieben, er hat supernett reagiert und angeboten, mit ihr zu telefonieren. Das beeindruckt sie nachhaltig bis heute.
Mehr zum Buch „Paulas Reise“ (Oetinger, 17 Euro) lest ihr hier.