Berlin. Der polnische Regisseur Patryk Vega erzählt das Leben und die Verbrechen des Kremlchefs mithilfe Künstlicher Intelligenz.
So hat man ihn mit Sicherheit noch nicht gesehen, den gefürchteten russischen Machthaber Wladimir Wladimirowitsch Putin. Wir schreiben das Jahr 2026, ein General (Thomas Kretschmer) besucht den Präsidenten in einem Krankenhaus. Erst schickt man ihn weg, dann lässt man ihn doch ins Zimmer – um ein Bild des Jammers zu sehen: Putin in Windeln, gepeinigt von spasmischen Zuckungen, kaum noch Herr seiner selbst.
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Was wir sehen, ist eigentlich kein Film, sondern das Ergebnis einer Rechenoperation. Regisseur Patryk Vega, bürgerlich Patryk Sebastian Krzemieniecki, könnte man als eine Art polnische Antwort auf Quentin Tarantino bezeichnen: Seine Filme nutzen Drastik, Vulgarität und Gewalt als wiederkehrende Stilelemente und erzielen in seinem Heimatland regelmäßig Besucherrekorde.
Für „Putin“ hat er sich den Künstlernamen Besaleel zugelegt und die neuen Möglichkeiten von Künstlicher Intelligenz und CGI genutzt. Nichts hier ist im herkömmlichen Sinn gespielt. „Putin“, dessen Dreharbeiten laut Vega ständigen Unterwanderungsversuchen durch den russischen Geheimdienst ausgesetzt waren und der in Russland auch nicht gezeigt werden darf, weidet sich daran, seine Fiktion des Machthabers mit genau jener Verachtung abzustrafen, die der reale Kriegsverbrecher Putin so vielen seiner echten und vermeintlichen Gegner im Lauf der letzten Jahrzehnte angedeihen ließ.
Technisch ist das verblüffend gut gelungen, man meint es nach einer Eingewöhnungsphase schnell mit dem echten Machtmenschen zu tun zu haben. In Schlaglichtern und erzählerisch in der Tradition des klassischen Biopics verfolgt die Erzählung die Lebensstationen Putins. Wir sehen ihn als Teenager, wie er sich auf dem Schulhof mit anderen Klassenkameraden prügelt. Oder danach als jungen KGB-Mitarbeiter in der Dresdener Residentur zur Zeit des Mauerfalls, als er aufgebrachten Demonstranten weismachen wollte, er sei doch „nur der Dolmetscher“.
Wahrheiten, die dem Publikum in Endlosschleife serviert werden
Zu verfolgen ist sein Aufstieg im Geheimdienst, seine Zeit an der Seite des alkoholkranken Präsidenten Boris Jelzin, seine Machtübernahme erst als Premierminister, dann als Präsident, sein Agieren im Ersten und Zweiten Tschetschenien-Konflikt, seine Wahlbetrügereien und Verfassungsbeugungen zu Gunsten des lebenslangen Machterhalts – während der Film in jeder Szene, eigentlich in jeder Sekunde klarstellt, mit wem wir es zu tun haben: mit einem Gangster, einem vollkommen skrupellosen Machtmenschen, dem jedes Mittel zum Zweck gelegen kommt.
Das ist nach allem, was man weiß, auch eine zutreffende Beschreibung. Vegas Film behandelt sie aber wie eine Wahrheit, die man dem Publikum nicht oft genug mitteilen kann – und entwertet sie auf diesem Wege.
Kaum eine Episode, in der Putins Wahnsinn nicht durch eine pochende Tonspur, durch nervöse Kameraschwenks, Ober- und Schrägperspektiven zusätzlich beglaubigt würde. Und keine Brutalität, vom Kopfschuss in der Totalen bis zu niedergemähten Kindern im ukrainischen Mariupol, die dieser Film seinem Publikum ersparen würde.
Regisseur Vega überstrapaziert seine Stilmittel
In den Kriegsszenen treten regelmäßig ein Kind und eine jüngere Frau auf, um die Exzesse mal zynisch, mal verzweifelt zu kommentieren – auch dies ein Stilmittel, das Vega überstrapaziert. Man könnte in der ständigen visuellen und emotionalen Überforderung des Publikums eine ästhetische Strategie sehen, um den verheerenden Folgen dieses Lebens gerecht zu werden. Aber dient das auch den aufklärerischen Intentionen dieses Films?
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Der übrigens auch wenig Skrupel im Umgang mit ungesicherten Behauptungen über Putins Leben zeigt. Dass dieser den Leningrader Bürgermeister Anatoli Sobtschak im Jahr 2000 umbringen ließ, um Details seiner politischen Vita zu vertuschen, muss bis heute ebenso als Gerücht betrachtet werden wie die Affäre mit der Sportgymnastin Alina Kabajewa, die der Film in aufreizender Weise behauptet – nämlich als eiskalte Machtdemonstration gegenüber seiner Ehefrau Ehefrau Ljudmila. Was man weiß, glaubt oder nur ahnt, verwischt „Putin“ leider bis zur Unkenntlichkeit.
Drama, Polen/Malta/USA 2024, 109 min., von Patryk Vega, mit Slawomir Sobala, Tomasz Dedek, Justyna Karlowska