Tokio.. Japans Presse feiert die 450 Japaner, die in Fukushima im Einsatz sind, inzwischen als „Samurai“. Unter Lebensgefahr kämpfen sie gegen die Atomkatastrophe. Als Entschädigung erhalten sie einen Tagessatz von 3400 Euro.
Als Japans Premierminister am Samstag erstmals seit dem Erdbeben und Tsunami vom 11. März die Katastrophenregion besuchte, führte sein erster Weg zum J-Camp. „Ihr stellt die erste Verteidigungslinie dar“, ermunterte er die Arbeiter in dem Lager rund 19 Kilometer vom Atomkraftwerk Fukushima entfernt, „ihr dürft nicht verlieren“.
Es war ein verzweifelt klingender Appell an eine Truppe von Arbeitern, Feuerwehrleuten und Technikern, die seit drei Wochen ihr Leben riskieren, um den zweitgrößten nuklearen Unfall der Welt nach Tschernobyl zu bereinigen.
Arbeiten im Problem-Reaktor
Japans Presse feiert die 450 Japaner, die in Fukushima im Einsatz sind, inzwischen als „Samurai“. Die legendenumwobene Kriegerkaste folgte laut Hojo Shigetoki, einem japanischen Philosophen des 13. Jahrhunderts, vor allem einem Leitsatz: „Ein Samurai sollte nicht an Hunderttausende von Menschen denken, wenn er kämpft, sondern nur die Bedeutung seines Herrn im Sinn haben.“
In die Gefahrenzone beordert
Aber die wenigsten der 450 Japaner, die im Auftrag des Elektrokonzerns Tepco rund um die Uhr gegen den atomaren GAU in Fukushima kämpfen, sind Spezialisten. Die 50 Feuerwehrleute, die gleich zu Anfang zum Noteinsatz an die Unglücksreaktoren kamen, wurden per Befehl in die Gefahrenzone beordert. Japanische Gewerkschaftler berichten, Subunternehmer von Tepco würden mit Druck überredet, Arbeiter für den Noteinsatz aufzutreiben. Sie bieten laut japanischen Medien, Tageslöhne bis zu 400 000 Yen (rund 3400 Euro) für den lebensgefährlichen Einsatz in Fukushima.
Die wenigen Informationen, die an die Öffentlichkeit sickern, beschreiben chaotische Arbeitsbedingungen. Die ersten „Samurai“ diskutierten ihre Strategie im J-Camp im Licht von Autoscheinwerfern. „Es ging wild durcheinander. Ideen wurden diskutiert und verworfen“, berichtete ein Tepco-Ingenieur. Die drei Arbeiter, die von radioaktivem Wasser an einem der Reaktoren verseucht wurden, wussten offenbar nichts von der Gefahr, in die sie im wahrsten Sinne des Wortes hineintappten.
„Das ist meine Grenze“
Tepco hält selbst in normalen Zeiten die Namen seiner Angestellten in den Atomreaktoren geheim. Auch während der Krise erfährt die Öffentlichkeit nur wenige Details. Doch der Druck, unter dem die Arbeiter stehen, wird in einer E-Mail deutlich, die der International Herald Tribune zugespielt wurde. „Meine Stadt ist weg“, schrieb darin ein Mann namens Emiko Ueno: „Meine Eltern werden vermisst. Ich kann wegen der Evakuierungsanordnung nicht die Sperrzone besichtigen. In dieser Gemütsverfassung muss ich arbeiten. Das ist meine Grenze.“
Tote in der Sperrzone
Über 1000 Tote, die dem Tsunami zum Opfer fielen, werden in der Sperrzone vermutet. Sie können wegen der radioaktiven Gefahr nicht geborgen werden – und müssen, falls sie jemals gefunden werden, vor ihrer Beerdigung oder Einäscherung erst dekontaminiert werden.
Erfolgserlebnisse sind bei dem Kampf bislang dünn gesät. „Ich werde den Tag nie vergessen, an dem der Manager uns erklärte, es sei geschafft“, erzählte eine Tepco-Veteran der „International Herald Tribune“, „wir haben zur Feier alle eine Cola getrunken.“ Es war der Tag, an dem Fukushima nach langen Mühen wieder ans Stromnetz angeschlossen worden war. Doch die Hoffnung im J-Camp, dass die Reaktoren nun schnell gezähmt werden könnten, erfüllte sich nicht.
Riss im Reaktor
Aus den beschädigten Reaktoren tritt weiter Radioaktivität aus. Inzwischen steht fest, dass verseuchtes Wasser durch einen Riss in den Pazifik gelangt. Während ein Teil des Einsatzteams versucht, mit Beton und einem Silikonüberzug undichte Stellen zu verstopfen, haben andere Arbeiter begonnen, verseuchtes Wasser auf ein Frachtschiff abzupumpen. Von einem anderen Schiff pumpen Arbeiter Süßwasser in die Reaktoren, um die Überhitzung der Brennstäbe zu verhindern.