Das Gutachten im Erzbistum Köln hat Akten untersucht und Verantwortliche befragt. Um Missbrauch zu verhindern, muss die Kirche sich wandeln.
Über Jahrhunderte hat die Kirche die Aufklärung gefürchtet wie der Teufel das Weihwasser. Damit ist einerseits gemeint, was Immanuel Kant „den Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit“ genannt hat. Und andererseits – tatsächlich – Sexualaufklärung. Und obendrein, als wäre das nicht selbstverständlich, die Aufklärung krimineller Handlungen. Die katholische Kirche muss sich dieser dreifachen Aufklärung stellen.
Was das Bemühen angeht – zumindest in den letzten Jahren –, Opfer von Missbrauch ernstzunehmen und Täter zu ermitteln und zu bestrafen, so ist gerade mal ein Anfang gemacht. Eine rein juristische Bewertung des Handelns der potenziellen Täter nach (desolater) Aktenlage – wie jetzt in Köln exerziert – wird aber nicht reichen.
Die Gutachter haben nicht nur betont, dass Strukturen untersucht gehören, die solche Missbräuche möglich machen. Das beginnt bei ordentlicher Aktenführung, das muss aber zwingend weiterführen zu der Frage, wie Kirche soziologisch und psychologisch tickt.
Wenn Priester einvernehmlichen Sex mit Erwachsenen haben, ist das Juristen egal
Beispiel: Die Gutachter haben viele „Missbrauchsfälle“ aussortiert. Ob Priester gegen das ihnen auferlegte Gebot der Enthaltsamkeit verstießen, ist für weltliche Juristen belanglos – solange der Sex, ob mit Männern oder Frauen, einvernehmlich ist.
Doch wer als Institution jede Form von Sexualität außerhalb des Ehesakraments als Sünde abqualifiziert und zum Tabu erklärt, wird blind für die Vielfalt des Liebens und Lebens. Dem fehlt jedes Gespür dafür, wo Sexualität bereichert und beglückt oder Instrument von Macht und Gewalt wird.
Kein Wunder, dass kaum jemand das Urteil der Amtskirche ernst nimmt, wenn sie sich anschickt zu bewerten, was erwachsene Menschen in ihrem Schlafzimmer tun. Die Kinder Gottes sind mittlerweile erwachsen und aufgeklärt.
Und wenn ein homosexuelles Paar dann zu der Erkenntnis kommt, dass es für seine Liebe gern den Segen der Kirche hätte, dann müsste eine aufgeklärte Kirche dafür mittlerweile auf Knien dankbar sein – für dieses unverdiente Vertrauen.