Lüdenscheid.. Nach dem Brand eines Lasters in Lüdenscheid mussten 120 Anwohner in Sicherheit gebracht werden. 48 Einsatzkräfte (13 Polizisten und 35 Feuerwehrleute) wurden leicht verletzt, ebenso 17 Anwohner. Giftiger Qualm aus der Kanalisation vergiftete die Luft, weil Löschwasser in den Kanalschacht floss und offenbar eine chemische Reaktion ausgelöst hat. 70 Meter eines glasfaserverstärkten Kanalrohres brannten unter der Erde.
Mitten in der Nacht, kurz vor ein Uhr, ein lauter Knall. Renate Becker eilt zum Fenster, blickt hinaus, sieht hinter der Hecke auf der Straße hohe Flammen emporschlagen. Sie alarmiert die Feuerwehr in Lüdenscheid. Die eilt binnen Minuten herbei, löscht die Flammen.
In 27 Dienstjahren noch nicht erlebt
Ein Lkw, neben einer Spedition auf der Straße abgestellt, ist in Brand geraten. Nichts Ungewöhnliches, das komme eben vor, sagt Jörg Weber, Sprecher der Lüdenscheider Feuerwehr. Doch was dann passiert, „habe ich in 27 Dienstjahren noch nicht erlebt“, fügt er hinzu. Dichter schwarz-brauner, übel riechender Rauch dringt aus der Kanalisation, wabert über dem Boden, steigt auf. Weber: "Und das alles nach einem eigentlich für uns lapidaren Lkw-Brand."
Auch im Haus von Renate Becker wird die Luft stickig. Durch den Abfluss in der Waschküche zieht der Qualm. Es stinkt im Treppenhaus und in der Wohnung. „Nach verbranntem Gummi, aber auch säuerlich“, berichtet Renate Becker. Ihr Nachbar, Thomas Koehl, macht die Feuerwehrleute darauf aufmerksam, führt sie in den Keller. Später wird ihm davon schwindlig und übel, er bekommt Kopfschmerzen, leidet unter Herzrasen. Der Qualm ist giftig.
Einsatzkräfte klagen über Atemwegreizungen
Die Einsatzkräfte klagen bald ebenfalls über Atemwegreizungen. 48 (13 Polizisten und 35 Feuerwehrleute) von ihnen haben Beschwerden, ebenso wie 17 Anwohner. Und so entschließt sich die Feuerwehr am frühen Morgen, einige Häuser an der Königsberger Straße aus Sicherheitsgründen zu evakuieren. Selbst wenn keine konkrete Gefährdung bestanden habe und Grenzwerte zu keiner Zeit überschritten worden seien, erklärt Jörg Weber.
Für die 120 Bewohner der Häuser ist es dennoch ein Schreck. Joachim Gamroth ist 87 Jahre alt - und herzkrank. Von dem Brand in der Nacht hat er nichts bemerkt. Doch als die Einsatzkräfte gegen 7.30 Uhr morgens an seine Tür hämmern, ihm erklären, dass er seine Wohnung verlassen, auf die Straße gehen und in den Bus einsteigen solle, der dort wartet, da muss sich Joachim Gamroth erst einmal zehn Minuten auf die Couch setzen, so sehr beginnt er zu zittern. Warum er aus der Wohnung muss, das erfährt er erst später in der Grundschule am Wehberg, wo er bei Tee und heißer Suppe auf einem Klappstuhl mit einigen Nachbarn den Tag verbringt.
Ein Helikopter wirbelt den Qualm auf
250 Kräfte von Feuerwehr, Polizei, Deutschem Roten Kreuz, Maltesern und Johanniter-Unfallhilfe sind an diesem Tag im Einsatz. Dazu eine Spezialeinheit der Feuerwehr aus Dortmund, Messeinheiten der Bezirksregierung Arnsberg und das Landesumweltamt. Ein Helikopter wirbelt den Qualm auf, um ihn zu verdünnen. So ist die Gefahr in der Luft bereits am späten Vormittag gebannt. Doch auf der Straße befinden sich noch Schadstoffe, die erst beseitigt werden müssen, damit die Bewohner der Königsberger Straße das Gift nicht mit ihren Schuhen in die Häuser tragen.
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Wie es zu dem Brand und der Rauchentwicklung kommen konnte - Feuerwehr und Polizei wissen es am späten Nachmittag noch nicht hundertprozentig. Auch nicht, welcher Schadstoff hier ausgetreten ist. Vermutlich seien 70 Meter eines Rohres aus glasfaserverstärktem Kunststoff, wie es allerorten im Boden zu finden ist, in Brand geraten und haben vielleicht den giftigen Stoff frei gesetzt, sagt Jörg Weber. Ob dies aber tatsächlich die Ursache ist, müsse noch genau untersucht werden, berichtet Polizeisprecher Norbert Pusch. Auch der Lkw, der in Brand geraten ist, wird nun analysiert. Mit ersten Ergebnissen rechnen Polizei und Feuerwehr am Dienstag.