Berlin..
Renate Künast bewirbt sich offiziell um eine Kandidatur zur Bürgermeisterwahl in Berlin. Die Grünen- Bundesvorsitzende erklärte am Freitag, zur Wahl anzutreten. Laut Umfragen hätte sie beste Chancen, Klaus Wowereit (SPD) zu beerben.
Wenn sich Renate Künast in Szene setzt, dann stimmen die Effekte. Meistens. Und der wichtigste Effekt im vertrackten Bürger-Politiker-Krösken ist momentan nun mal Dialog. Oder dessen Verweigerung. Oder Abwesenheit. Darum ein bisschen Townhall-Atmosphäre; nur ohne Obama. Darum ein bisschen blaues Licht unter der Kuppel und grünes von der Galerie. Und am Rednerpult das Logo: „Für die Zukunft. Für Alle. Für Berlin.“ Sinnigerweise im Museum für Kommunikation, wo die Ausstellung „Schon gehört?“ zurzeit allerlei Tratsch, Intrigen und krude Gerüchte im Angebot hat, räumte die 54-Jährige am Freitagabend vor 600 Parteifreunden und Vertretern der Stadtgesellschaft die Spekulationen über ihre politische Zukunft ab: Jawohl, sie macht es. Am 18. September 2011 tritt die in Recklinghausen geborene Juristin bei den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus gegen Amtsinhaber Klaus Wowereit (SPD) an. „Berlin hat mehr verdient als lustloses Regieren“, sagte sie in ihrer viel beklatschten Antrittsrede.
„Armut ist das Gegenteil von sexy“
Heute ein schwuler Bürgermeister, bald ein grüne Regierende? Die Chance, erstmals in einem Bundesland die Regierungschefin zu stellen, stehen für die Grünen gut wie nie. Beständig rangieren sie nicht nur in den bürgerlich-hippen Milieus von Prenzlauer Berg und Berlin-Mitte in Umfragen mit 30 Prozent deutlich vor der SPD (26 Prozent) und der CDU (17 bis 20 Prozent). Popularität, die Begehren weckt. Union (lauter) wie SPD (viel leiser) signalisieren Kooperationsbereitschaft. Grün stellt sich taub. In beide Richtungen. Grün greift an. Berlin sei eine Verheißung, sagte Künast, aber seine „beharrlich abgenutzte Regierung eine Zumutung“. Darum immer mehr Berliner, die über den Satz „arm, aber sexy“ nicht „mehr mitlachen können oder wollten“. Armut sei das Gegenteil von sexy. Eine Breitseite gegen „Wowi“, den Vater des immer schon zweifelhaften Spruchs.
Künast, die im Bundestag mit Jürgen Trittin die Fraktion leitet, kennt die Stadt und ihre Lebenslagen aus dem effeff; die ökonomische Dauer-Erschlaffung, die Ballung von Problemen, die sich in sozial gespaltenen Kiezen zeigen. Sie lebt hier seit 30 Jahren. Sie war 1979 Mitbegründerin der West-Berliner Alternativen Liste und saß 14 Jahre im Abgeordnetenhaus. So einer nimmt der Hauptstädter womöglich ab, wenn sie sagt, dass „wir Demokratie anders und besser wagen wollen“.
„Wahlgeschenke gibt es nicht“
Zehn Jahre lang bespielte die über Realschule, Fachoberschulreife und Sozialarbeit zum Jurastudium gekommene Anwältin mit dem markanten Bürstenhaarschnitt und dem noch markanteren Kinn zuletzt bundespolitisches Parkett. Ihre schnörkellose Rhetorik wird ab sofort vor allem (wieder) Richtung Rotes Rathaus zielen. Richtung „Aufbruch für eine Stadt, die für alle da ist“. Aber Obacht „Wahlgeschenke gibt es nicht, für niemanden. Es gibt nur das, was nötig ist.“ Das ist kein Gerücht. Das ist von Renate Künast.