Hannover. Sie stehen immer etwas im Schatten der Organspende: Gewebespenden sind nur selten Thema großer gesellschaftlicher Debatten, und doch leisten auch sie wichtige Hilfe. Um Hinterbliebene später nicht zu belasten, lohnt es sich, sich zu Lebzeiten mit dem Thema zu befassen.
Jeder, der einen Organspendeausweis ausfüllt, wird feststellen, dass sich der Ausweis nicht nur auf Organe bezieht. Er regelt auch den Umgang mit Gewebespenden. Sie werden gebraucht - auch wenn der Mangel an Organen weitaus größer ist und es weniger oft um Leben oder Tod bei der Transplantation von Gewebe geht. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema im Überblick:
Was kann gespendet werden?
Vorrangig werden Augenhornhäute transplantiert. "Sie sind zahlenmäßig am wichtigsten", sagt Tino Schaft von der Deutschen Gesellschaft für Gewebetransplantation (DGFG). Schätzungsweise 8000 werden pro Jahr benötigt, rund 6000 werden gespendet.
An zweiter Stelle stehen Herzklappen und große Blutgefäße in Bauch und Brust wie die Aorta. "Blutgefäße werden in der Regel bei Organspenden entnommen, wenn der Bauchraum des Spenders ohnehin geöffnet ist." Hier liegt der Bedarf bei etwa 500, gespendet werden schätzungsweise nur 200. Herzklappen stammen oft aus Lebendspenden: Wenn jemand ein neues Herz empfängt, sind die Klappen seines alten, geschädigten Herzens oft noch intakt. Schätzungsweise 150 Klappen werden gespendet, benötigt werden circa 500. Knochen, Haut, Sehnen und Bindegewebe sind die dritte Gruppe. Sie spielen laut Schaft in Deutschland eine relativ kleine Rolle bei der Gewebespende.
Wer kann spenden?
Im Prinzip kommt als Gewebespender jeder Mensch infrage, der einen normalen Tod stirbt, erläutert Schaft. "Ein hohes Alter ist kein Ausschlussgrund." Allerdings: "Die Organspende ist der Gewebespende vorgeordnet", erklärt Felix Vieth von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). Gewebe kann nur gespendet werden, wenn dadurch eine Organspende nicht beeinträchtigt wird oder der Verstorbene diese nicht ausdrücklich ausgeschlossen hat. Außerdem kann jeder im Organspendeausweis festlegen, dass Gewebe nur an gemeinnützige Gewebebanken gespendet werden soll.
Wie ist die Gewebespende organisiert?
Die Gewebespende ist ähnlich wie die Organspende geregelt. Gesetzliche Grundlage ist das Transplantationsgesetz. "Erste Voraussetzung ist der zweifelsfrei festgestellte Hirntod des Spenders", erläutert Vieth. Da Gewebe im Gegensatz zu Spenderorganen in der Regel nicht mehr durchblutet werden muss, um transplantierbar zu sein, reicht der indirekte Nachweis des Hirntods. Leichenstarre und Totenflecke sind eindeutige Anzeichen.
"Zweitens muss eine Einwilligung für die Spende vorliegen", betont Vieth. Findet sich beim Verstorbenen kein Organspendeausweis und hat er auch keine Patientenverfügung erstellt, werden die Angehörigen nach dem Willen des Toten befragt. Im selben Atemzug stellen die Ärzte die Frage nach der Organspende, denn die Hinterbliebenen sollen nicht zweimal behelligt werden.
Welches Zeitfenster gibt es für die Gewebespende?
Herzklappen und Blutgefäße müssen innerhalb von 24 Stunden nach dem Tod entnommen werden, erläutert Schaft. Bei Hornhäuten bleiben bis zu 72 Stunden Zeit. "Die Hornhaut hat keine Blutgefäße, und der Sauerstoff kommt von vorn", erklärt Prof. Thomas Reinhard von der Klinik für Augenheilkunde an der Uni Freiburg. Ob die Hornhaut wirklich intakt ist, lasse sich erst nach der Entnahme feststellen. Bis zu 28 Tage kann sie in einem Kulturmedium aufbewahrt und transplantiert werden.
Wie funktioniert die Vergabe?
Anders als die Vergabe von Organen ist die Gewebevergabe nicht zentral organisiert. Gewebe werden in der Regel lokal oder über ein gewebemedizinisches Netzwerk vergeben. "Gewebebanken orientieren sich an den Kriterien für die Organvergabe, also an der Dringlichkeit, den Erfolgsaussichten und der Chancengleichheit", ergänzt Vieth. Laut Prof. Reinhard beträgt die Wartezeit auf eine Augenhornhaut drei bis fünf Monate. "Das Abstoßungsrisiko wird kleiner, wenn passend verpflanzt wird." Vorrang hätten Notfälle, etwa wenn eine Glasscherbe das Auge verletzt hat oder ein Kind der Patient ist. (dpa)