Essen. Kindern werden in manchen Regionen Deutschlands Studien zufolge achtmal häufiger die Mandeln herausgenommen als anderswo. Ähnlich große regionale Unterschiede gebe es bei Blinddarm- oder Prostata-Operationen. Zu diesem Ergebnis kommen zwei Studien.

In Deutschland wird zu häufig operiert. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie der Bertelsmann Stiftung und der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Diese Überversorgung hänge dabei stark vom Wohnort ab: Kindern im Kreis Wesel werden zweieinhalb Mal häufiger die Gaumenmandeln entfernt als in anderen Regionen Deutschlands.

Bei der Entfernung des Blinddarms zählt Bottrop sogar bundesweit zu der Region mit den höchsten Operationsraten, während in Wuppertal oder Krefeld fast drei Mal weniger Kinder operiert werden.

In manchen Regionen Deutschlands werden Mandeln sogar achtmal häufiger herausgenommen als anderswo – in Bad Kreuznach (Rheinland-Pfalz), Bremerhaven oder Delmenhorst (Niedersachsen). Ähnlich große regionale Unterschiede gebe es bei Blinddarm- oder Prostata-Operationen. „Offenbar spielen hier andere Faktoren eine Rolle als nur die medizinische Notwendigkeit“, sagt Studienleiter Jan Böcken.

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„In Kliniken wird alles gemacht, was Geld bringt“, sagt Christoph Kranich, von der Abteilung Gesundheit und Patientenschutz der Verbraucherzentrale Hamburg. „Wer zum Orthopäden geht, der operiert, wird in der Regel auch operiert.“

Zweitmeinungszentrum in Dortmund

Das Zweitmeinungszentrum in Dortmund kommt zu ähnlicher Erkenntnis: Bei zwei von drei Patienten, die operiert werden sollten, konnte nach genauerer Untersuchung eine andere Therapie angeboten werden – ohne Operation. Laut Techniker Krankenkasse wurde in über achtzig Prozent der Fälle eine Bandscheiben-OP vermieden, nachdem die Patienten in ein Rückenzentrum überwiesen wurden.

„In Regionen, in denen es viele Klinikbetten gibt, ist die Zahl der Eingriffe automatisch höher. Leere Operationssäle sind das Schlimmste für ein Krankenhaus“, so Jan-Christoph Loh, Geschäftsführer des medizinischen Zweitmeinungsanbieters Medexo.

Ein weiteres Problem sei die Zunahme der Kaiserschnitte. Laut Studie liegt die Quote in der Pfalz mit 50 Prozent vorne. Aber auch in NRW liegt die Quote nun schon bei 36,3 Prozent. „Dabei belegen Studien, dass der Wunsch zur natürlichen Geburt zunimmt“, so Studienleiter Böcken. NRW-Ministerin Barbara Steffens (Grüne) hat einen „Runden Tisch Geburtshilfe“ eingerichtet. Ein Ziel sei, die hohe Zahl von Kaiserschnitten zu reduzieren.