Essen. Braune Haut steht für Gesundheit und Schönheit. Um das Ideal zu erreichen, helfen viele Deutsche im Solarium nach. Doch gefährlich wird es, wenn das Bräunen zur Sucht wird: Tanorexie.

Das extreme Bräunen der Haut bezeichnet man als Tanorexie. Die Wort-Verwandtschaft zur Anorexie, der Magersucht, macht das Problem deutlich. So wie bei der Magersucht geht es bei der Bräunungssucht um ein verzerrtes Selbstbild. Während Magersüchtige meinen, sie seien zu dick, sind Bräunungssüchtige davon überzeugt, sie seien zu blass.

Richard Wagner von der Universität Texas beschrieb das Phänomen im Jahr 2004 als erster. Trotz Hautkrebserkrankung wollten viele seiner Patienten nicht auf den Besuch im Sonnenstudio verzichten. Deshalb untersuchte er 145 Solariengänger im Alter von 18 bis 53 Jahren bei Solarium Abstinenz. Ergebnis: Mindestens ein Viertel litt unter Entzugserscheinungen.

Wie macht UV-Strahlung süchtig?

Erschreckend: Tanorexie ist mit Drogenabhängigkeit vergleichbar (Bild: Imago)
Erschreckend: Tanorexie ist mit Drogenabhängigkeit vergleichbar (Bild: Imago) © imago stock&people

Bräunungssucht klingt für viele merkwürdig. Wie können Sonne oder Strahlung unter dem Solarium süchtig machen? „Natürlich wird nicht jeder süchtig, der ins Sonnenstudio geht“, sagt Dr. Armin Bader, Abteilungsleiter der Psychosomatischen Dermatologie in der Klinik für Dermatologie und Allergologie Bochum.

„Eine Sucht zu entwickeln ist immer auch davon abhängig, ob man dazu neigt oder nicht.“ Psychosoziale Faktoren spielen dabei eine große Rolle. Wie bei jeder anderen Sucht, richtet der Tanorektiker sein gesamtes Leben danach aus. Soziale Kontakte, wie Freundschaften, finden nur im Sonnenstudio statt.

Es gibt aber auch einen biologischen Faktor, der für die Tanorexie verantwortlich ist. Denn UV-Strahlung führt zu einer Ausschüttung von Glückshormonen, einer körpereigenen morphinähnlichen Droge sozusagen. Diese macht genauso wie andere Drogen körperlich und psychisch abhängig.

Entzugserscheinungen vergleichbar mit Drogenabhängigkeit

Wer denkt, dass die Tanorexie eine „leichte“ Sucht ist, der irrt. Sie ist mit Drogensucht, wie der Sucht nach Heroin, vergleichbar. „Auch die Entzugserscheinungen sind gleich“, sagt Bader. „Dazu gehören Schlaflosigkeit, vermehrtes Schwitzen, Unruhe, Zittern, extreme Gereiztheit und auch Kennzeichen einer schweren Depression, wie Lethargie und Antriebslosigkeit.“

Erschwerte Behandlungsmöglichkeiten

Die Tanorexie ist noch nicht als Krankheit anerkannt. „Genau das ist ein großes Problem“, sagt Bader. „ In den meisten Fällen muss man Suchtpatienten vor sich selbst schützen. Am besten geht das stationär.“ Ohne die Anerkennung sei eine stationäre Behandlung nicht möglich. Deshalb bliebe nur eine begleitende therapeutische Behandlung „Damit ist der Entzug eines Tanorektikers zu vergleichen mit dem kalten Entzug eines Alkoholikers“, sagt Bader. Auch aus diesem Grund sei die Rückfallquote sehr hoch. Von zehn Patienten werden über die Hälfte rückfällig.

Folgen sind nicht nur kosmetisch

Dass UV-Strahlung die Haut altern lässt und zu Pigmentstörungen führt, ist allgemein bekannt. Aber neben den kosmetischen gibt es weitaus gefährlichere Faktoren. Denn verschiedene Hautkrebsarten können durch UV-Strahlung ausgelöst werden. Davor warnen Hautärzte schon seit Jahren.

Vor allem Solarien stehen in der Kritik. Ab 2010 tritt nun ein Solarien-Verbot für Jugendliche in Kraft. Demnach müssen Jugendliche mindestens 18 Jahre alt sein, um die künstliche Sonne nutzen zu dürfen. „Kinder und Jugendliche haben ein erhöhtes Risiko für eine Suchtgefährdung“, sagt Bader. „Deshalb ist das Gesetz ein Schritt in die richtige Richtung.“

Aber es müsse noch mehr getan werden. Auch viele Ärzte und Gesundheitsämter seien sich den schweren Folgen von Tanorexie nicht bewusst. Es fehle an Selbsthilfegruppen und speziellen Angeboten für Betroffene.