Köln. Als Ergänzung zur klassischen Physiotherapie findet die Elektromuskelstimulation (EMS) schon länger Anwendung. In jüngster Zeit wird EMS auch immer häufiger zum Ganzkörpertraining eingesetzt. Zu Trainingsbeginn ist viel Koordination gefragt, Erfolge stellen sich aber schon nach kurzer Zeit ein.

Ein Kribbeln durchfährt den Sportler. Niederfrequenter, also ganz schwacher Strom, wird durch die Muskeln geleitet, die sich dadurch anspannen und so gekräftigt werden sollen. Das ist das Grundprinzip der Elektromuskelstimulation (EMS), medizinisch auch Elektromyostimulation genannt.

Heinz Kleinöder, Sportwissenschaftler an der Deutschen Sporthochschule Köln, ist Leiter der Abteilung Kraftdiagnostik und Bewegungsforschung. Er sagt: "Es gibt mehrere Studien mit sehr positiven Ergebnissen." Im Fokus stehe dabei allerdings meist die Stimulation einzelner Muskelgruppen. Über aufgeklebte Elektroden werden beispielsweise nur die Oberschenkel angesprochen. Das EMS-Ganzkörpertraining, bei dem elektrische Impulse gleichzeitig von den Oberschenkeln bis zu den Schultern eingesetzt werden, ist neuer.

Bei Vorerkrankungen den Arzt vor Trainingsbeginn hinzuziehen

Anbieter des Ganzkörper-EMS sind zum Beispiel die Ketten Fitbox und Bodystreet. In Berlin lassen sich Trainierende vom Bürgersteig aus durch eine große Schaufensterscheibe bei Bodystreet beobachten. "Man sieht dabei ein bisschen aus, als wäre man in einer Taskforce", umschreibt Inhaber Christian Musche die ungewöhnliche Kleidung. Über eine spezielle, saugfähige Radlerhose plus T-Shirt wird eine mit Elektroden bestückte, angefeuchtete Weste gezurrt. An Oberschenkeln, Bauch, Rücken und Armen stecken dünne Kabel in Kontakten, eine dickere Leitung verbindet den Trainierenden mit dem EMS-Gerät.

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"Absolute Kontraindikationen für EMS sind ein Herzschrittmacher, Schwangerschaft und eine bakterielle oder virale Erkrankung", erläutert Yvonne Kröhl, Filialleiterin und Trainerin in der Bodystreet-Filiale. Bei anderen medizinischen Auffälligkeiten muss ein Arzt zurate gezogen werden, etwa bei Diabetes. "Mittlerweile kennen die meisten Ärzte diese Methode und können eine Einschätzung abgeben", sagt Johannes Pommerien, EMS-Experte im Verband Deutscher Fitness- und Gesundheitsunternehmen.

Elektrischer Impuls lässt sich genau lokalisieren

Musche hält das Training einmal die Woche für sinnvoll. Mehr als 20 Minuten sollte das Training nicht dauern, fügt Sportwissenschaftler Kleinöder hinzu. Er hält EMS auch im Breitensport für sinnvoll. "Damit kann man sehr gut an der Körperwahrnehmung arbeiten", sagt er.

Der elektrische Impuls, der über die Elektroden und den gut leitenden feuchten Stoff an die Muskeln gesendet wird, lässt sich vom Trainierenden genau lokalisieren. Kleinöder empfiehlt dazu eine koordinierte Bewegung. Eine Anleitung sei sehr wichtig. "In der Regel schulen die Gerätehersteller die Trainer", erläutert Pommerien. Danach sollten sich Interessenten beim Anbieter auch erkundigen.

EMS kann als Ergänzung zur Physiotherapie eingesetzt werden

In der ersten Trainingseinheit ist viel Koordination gefragt. Der spürbare Impuls in wechselnder Intensität ist gewöhnungsbedürftig. "Ab der zweiten Trainingseinheit lernt man, mit dem Reiz zu spielen", sagt Kleinöder, der unter anderem ein EMS-Training für den Rodler Georg Hackl erarbeitet hat. Indem man gegen den elektrischen Impuls drückt, intensiviert sich das Training, und es stellen sich schneller Erfolge ein. Damit wird auch ein Abnehmeffekt oder - je nach Fokus - die Straffung einzelner Körperpartien versprochen. Unabhängige Studien dazu gibt es allerdings nicht.

Seinen Ursprung hat EMS in der Medizin. Prof. Holger Schmitt von der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (DGSP) setzt EMS zum Beispiel nach einer Kreuzband-Operation ein, als Ergänzung zur klassischen Physiotherapie. "Das ist allerdings kein Allheilmittel und funktioniert auch nicht bei jedem." Auch in der Medizin fehlen große Studien zur Wirksamkeit. Andererseits sieht er bei einem professionell begleiteten Einsatz kaum eine Gefahr. (dpa)