Düsseldorf. Der Kinderarzt sieht das Baby im ersten Lebensjahr manchmal häufiger als die Großeltern. Umso wichtiger ist ein vertrautes Verhältnis zwischen Eltern und Mediziner. Ein guter Arzt klärt sie über Risiken auf und setzt nicht einfach seine Meinung durch.
Die ersten Wochen mit Baby verlaufen für viele Eltern chaotisch. Experten empfehlen daher, sich schon vor der Geburt nach einer Kinderarztpraxis umzuschauen. «In Deutschland hat ein Neugeborenes spätestens zwischen dem dritten und zehnten Lebenstag Kontakt zu einem Kinder- und Jugendarzt, nämlich bei der sogenannten U2-Vorsorgeuntersuchung», sagt Hermann Josef Kahl vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ). «Das ist aber nicht immer der Arzt, der das Kind über Jahre begleiten wird. Teils findet die Untersuchung noch in der Klinik statt, wenn eine Frau dort entbunden hat.»
Doch Eltern, die kurz nach dem ersten Schrei des Kindes wieder zu Hause sind, müssen die U2 selbst organisieren. Für die Suche nach einer Praxis empfiehlt Kahl, sich im Freundeskreis umzuhören und andere Eltern auszufragen. «Das ist eigentlich die beste Vorbereitung und passt oft gut.»
Extra Termine für Säuglinge
Das bestätigt auch Susanne Steppat, Hebamme aus Aachen und Mitglied im Präsidium des Deutschen Hebammenverbandes. «Ich würde mit verschiedenen Freundinnen sprechen - und welcher Kinderarzt die meisten Punkte auf der Skala bekommt, den würde ich bereits vor der Geburt kontaktieren, ob er neue Kinder in seine Kartei aufnimmt.» Dabei lohnt es sich, auch zu klären, ob die Praxis Hausbesuche anbietet und wie die Terminvergabe organisiert ist. Für Mütter sei es in den ersten Tagen nach der Geburt nur schwer zumutbar, mit ihrem Neugeborenen in einer Kinderarztpraxis warten zu müssen - womöglich zwischen Kindern mit ansteckenden Krankheiten.
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«Die meisten Kinderärzte bieten für die Vorsorgeuntersuchungen und für Säuglinge extra Termine an, oft auch einen eigenen Wartebereich, oder sie bitten direkt in ein spezielles Behandlungszimmer», sagt Pädiater Kahl. «Es macht wenig Sinn, mit einem Säugling spontan vorbeizukommen. Vor allem morgens sind die Praxen voll mit Kindern, die über Nacht krank geworden sind.» Eltern sollten sich erkundigen, ob es besser ist, sich telefonisch oder per E-Mail anzumelden.
Unterstützung mitbringen
Für Kahl ist als Vorbereitung entscheidend: «Eltern sollten sich vor dem Besuch beim Arzt aufschreiben, welche Fragen sie unbedingt beantwortet haben wollen und welche Sorgen sie haben.» Weil das Wohlbefinden von Mutter und Kind am Anfang sehr stark voneinander abhängt, könnten es auch Themen sein, die nicht das Kind direkt, sondern die Mutter betreffen - etwa extreme Müdigkeit oder Stimmungsschwankungen.«
«Vielleicht bringt die Mutter den Vater des Kindes, die eigene Mutter oder eine Freundin als Unterstützung mit», rät Kahl außerdem. Gerade im Wochenbett können die Emotionen schnell hochkochen, beispielsweise wenn der Arzt eine Auffälligkeit wie ein Herzgeräusch findet. «Hinter solch einem Herzgeräusch muss sich überhaupt nichts Schlimmes verbergen, aber frisch gebackene Mütter sorgen sich natürlich trotzdem - da ist es gut, noch jemanden dabei zu haben, der zuhört.»
Das erste Mal krank
Die Variante, den Vater allein mit dem Kind zu schicken, damit die Mutter sich schonen kann, ist meist nicht praktikabel. «Gerade wenn ich als Mutter stille, ist es schwer, den Termin so zu takten, dass er genau zwischen die Stillzeiten passt», sagt Andrea Fabris von der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland (UPD).
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Ob man wirklich den richtigen Kinderarzt für die Familie gefunden hat, stelle sich oft heraus, wenn das Kind das erste Mal krank ist, sagt Steppat. Wer eine Hebamme für die Wochenbettbetreuung hat, könne mit ihr auch darüber sprechen, wann ein Kind zum Pädiater muss. «Gerade beim ersten Kind können es Eltern nicht immer einschätzen, ob ein wunder Po oder Sekret in den Augen sofort ein Fall für den Kinderarzt sind.» Ist ein Besuch beim Arzt notwendig, sollten Eltern auf Folgendes achten: «Fühle ich mich ernst genommen, erklärt er mir alles so, dass ich es verstehe und geht er auf meine Ängste ein?»
Arzt sollte Alternativen aufzeigen
Wichtig sei auch, wie der Arzt bei möglicherweise kontroversen Themen reagiert, sagt Fabris. So werde die Gabe von Fluorid, Vitamin D oder Vitamin K unterschiedlich gehandhabt. «Ein guter Kinderarzt nennt das Verfahren, das er bevorzugt, klärt aber auch über die Alternativen auf. Er sollte nie einfach sagen: «So machen wir das jetzt».» Das gelte auch beim Thema Impfen.
Laut Ständiger Impfkommission (STIKO) können Kinder gegen Rota-Viren bereits in der sechsten Lebenswoche geimpft werden. Mehrfachimpfungen gegen Tetanus, Keuchhusten, Diphtherie und andere Krankheiten folgen im Alter von zwei Monaten. «Die Entscheidung über das Impfen liegt bei den Eltern, dafür sind gute Informationen notwendig», sagt Fabris. In der Regel würden Broschüren über das Impfen bei den ersten Vorsorgeuntersuchungen mitgegeben. «Der Arzt muss die Eltern im Vorfeld über die Impfungen und deren Risiken aufklären. Er darf dies nicht kurz vor der eigentlichen Impfung tun, da so die Eltern ihre Entscheidung nicht in Ruhe überdenken können.»
Die Impf-Termine müssten nicht mit den Vorsorgeuntersuchungen wie U3 (4. bis 6. Woche), U4 (3. bis 4. Monat) oder U5 (6. bis 7. Monat) zusammenfallen, sagt Kahl. Und Eltern sollten im Zweifelsfall lieber einmal zu häufig als zu wenig in die Praxis kommen. «Vor allem wenn sehr kleine Kinder Fieber oder Durchfall haben, ist der Pädiater die richtige Adresse.» (dpa)