Essen.. Die Biografie über den 1987 verstorbenen schwulen Entertainer Liberace lief zunächst nur im Bezahlfernsehen: Regisseur Steven Soderbergh fand trotz Starbesetzung mit Michael Douglas und Matt Damon kein Studio – „zu schwul“, so das Urteil. Jetzt kommt der Film doch noch auf die Leinwand
Kein Wunder, dass Steven Soderbergh (50) sich dazu entschlossen hat, zumindest vorerst keine Filme mehr zu drehen. Der Allround-Regisseur, der großes Starkino („Ocean’s Eleven“) ebenso beherrscht wie Arthouse-Filme („Che“) oder experimentelle Produktionen („Full Frontal“), kapituliert vor der Hollywood-Maschinerie. Nur fünf Millionen Dollar sollte sein Biopic über den 1987 verstorbenen homosexuellen Entertainer Liberace kosten, Stars wie Michael Douglas und Matt Damon inklusive.
Trotzdem fand Soderbergh kein Studio, das bereit gewesen wäre, den Film herauszubringen – „zu schwul“ war die Devise. Eine Heimat fand der Regisseur lediglich beim wagemutigen Pay-TV-Kanal HBO, weshalb „Behind the Candelabra“ (Originaltitel) in den USA zur Fernsehattraktion wurde, bei uns aber als „Liberace – Zuviel des Guten ist wundervoll“ ins Kino kommt. Dorthin, wo dieses kleine Meisterwerk auch hingehört.
Wladziu Valentino Liberace mochte zwar schwul gewesen sein, trotzdem drohte er jedem mit gerichtlichen Konsequenzen, der dies öffentlich von ihm behauptete. Die älteren Damen, die bei den Las-Vegas-Auftritten dieses Paradiesvogels die größten Fans des Pianisten waren, übersahen geflissentlich das tuntige Wesen ihres Idols, ebenso wie seinen Hang zu exzentrischen Haarkreationen, zu pompösen Bühnenoutfits und die üppige Präsentation von Goldklunkern an seinen Fingern. Dass Liberace seine Neigung öffentlich verleugnete, hat auch mit der Zeit zu tun, in der der Film spielt: Erst 1973 war Homosexualität in den USA aus dem Krankheitskatalog gestrichen worden, von einer Akzeptanz aber war man noch weit entfernt.
Verleugnete Neigung
Soderberghs Film setzt 1977 ein, als Liberace dem fast 40 Jahre jüngeren Tierpfleger Scott Thorson begegnet und sich unsterblich in den naiven jungen Mann verliebt. Er macht den Jüngling, der sich selbst als bisexuell bezeichnet, aus dem Stand heraus zu seinem Assistenten und Lebensgefährten. Dass Soderbergh Michael Douglas als alternden Schwulen besetzen wollte und den immerhin 42-jährigen Matt Damon als jungenhaften Gespielen, das galt bereits vor Beginn der Dreharbeiten als waghalsiger Besetzungscoup.
Das Ergebnis zeugt von dem guten Riecher, den dieser Regisseur immer wieder unter Beweis gestellt hat. Vor allem im Hinblick auf Douglas, der hier den goldenen Pfau ebenso glaubhaft darstellt wie später den einsamen Aids-Kranken, der sich als gealterter Star im Film einer Schönheitsoperation unterzieht, um danach ohne merklichen Einsatz von Schminke wieder Dynamik und jüngeres Aussehen auszustrahlen.
Das Anwesen als Beweis für protzig-schlechten Geschmack
Soderbergh beginnt seinen zweistündigen Film im Stil einer Komödie, was auch anders gar nicht möglich gewesen wäre. Schließlich lässt uns die Kamera durch ein Anwesen schweben, das Prunk ausstrahlen soll, jedoch nur Zeugnis ablegt vom protzig-schlechten Geschmack des Hausherrn. Hier empfängt Liberace in Alpträumen von Hausmänteln seine Gäste, und hier sieht ihn Scott auch zum ersten Mal.
Dass der angehende Veterinär überwältigt ist von Stuck im Wohnzimmer und Gold im Bad, weist ihn bereits als idealen Partner für den Las-Vegas-Star aus. Doch Liberaces Favoriten halten sich nie lange, dass es mit Scott schließlich fünf Jahre dauert, ist bereits eine Ausnahme. Wenn „Liberace“ sich schließlich zum Drama entwickelt, dann hat das allein mit dem Stand der Beziehung zu tun. Den Star drängt es zu einer „offenen Beziehung“, Scott hält sich an Drogen und Alkohol fest.
Douglas und Damon absolvieren ihre Rollen mit bewundernswerter Noblesse. Ganz selbstverständlich küssen sich hier zwei Männer, ohne dass Peinlichkeit entstehen würde. Ganz selbstverständlich werden hier zwei Männer am Morgen nebeneinander wach und haben Sex miteinander.
Und ganz selbstverständlich redet man hier über Praktiken, die dem einen gefallen, dem andern eher nicht – und ob man da nicht vielleicht doch mal ausbrechen könnte aus der Beziehung. Szenen einer Ehe eben, Komplikationen und Eifersucht inbegriffen.
Wertung: Vier von fünf Sternen