Berlin. Sportstudios und Vereine finden in Deutschland immer mehr Zulauf. Doch im Fitness-Fieber ist tatsächlich nur eine Minderheit. Die Masse der Trägen wächst, wie eine Studie zeigt. Außerdem gibt es innerhalb Deutschlands ein Ungleichgewicht: Ostdeutsche treiben durchschnittlich weniger Sport als Westdeutsche, wie Statistiken zeigen.

Marathonlaufen wird zum Trendsport und Fitness-Studios gibt es fast an jeder Ecke. Deutschland ist in Bewegung, könnte man meinen. Doch eine neue Studie der Techniker Krankenkasse (TK) zeigt auch ein anderes Bild: Eine große Gruppe wird immer träger. Der Anteil der Sportmuffel oder Totalverweigerer ist seit 2007 von 45 auf 52 Prozent gestiegen. Sportler sind inzwischen in einer - wenn auch knappen - Minderheit, wie die repräsentative Befragung von etwa 1.000 Erwachsenen durch das Forsa-Institut zeigte.

Experten sehen eine bedenkliche Entwicklung. «Die, die nichts für sich tun, erkennen, dass sie in guter Gesellschaft sind», sagt etwa der Sportwissenschaftler und Autor Michael Despeghel. Der TK-Vorstandsvorsitzende Jens Baas spricht von einer «Polarisierung der Gesellschaft», die an amerikanische Verhältnisse erinnere. Auf der einen Seite gebe es eine kleine Gruppe, die immer intensiver Sport treibe und auf der anderen Seite immer mehr Menschen, die gar nichts tun. Nur etwa jeder Fünfte zählt sich zu den Leistungs- und Freizeitsportlern mit mindestens drei Stunden Training pro Woche.

Besonders viele Sportmuffel in Ostdeutschland

An das Motto «Sport ist Mord» halten sich mehr Ost- als Westdeutsche: Mit 63 Prozent ist der Anteil der Sportvermeider in Ostdeutschland besonders hoch. Die Ursachen könne die Studie nicht erklären, sagte Baas. Manfred Güllner vom Forsa-Institut erinnerte daran, dass sich auch heute noch etwa ein Drittel der Ostdeutschen als Verlierer der Wende sieht und generell unzufriedener sei.

Die Studie zeigt auch Unterschiede zwischen Männern und Frauen: Greift bei den Männern mehr als jeder zweite (55 Prozent) nie zu den Sportsachen, ist es bei den Frauen weniger als die Hälfte (47 Prozent). Während Frauen gemäßigten Sport bevorzugen, steht bei Männern oft der Wettkampfcharakter im Vordergrund. Deutlich wurde auch: Während Männer am liebsten aufs Fahrrad steigen, gehen Frauen eher ins Fitness-Studio, machen Aerobic und Gymnastik.

Bewegungsflaute herrscht vor allem bei den 36- bis 45-Jährigen. Dies könnte den Autoren zufolge ein Zeichen dafür sein, dass diese Altersgruppe einfach zu wenig Zeit hat. An Kindern oder der Arbeit allein könne das allerdings nicht liegen: Die Anteile der Sportverweigerer mit und ohne Kinder halten sich die Waage. Und je höher das Einkommen, desto sportlicher sind die Befragten.

Zufrieden sind die Sportverweigerer nur selten. Viele würden ihre Situation gern ändern. Fast jeder Zweite gab an, sich «einfach nicht aufraffen» zu können. Übergewicht und Zeitmangel sind weitere Gründe für die Abstinenz. Außerdem kennen viele Sportverweigerer kaum jemanden, der Sport treibt. Zu beobachten ist das vor allem auf dem Lande.

Fitnessstudios haben viele passive Mitglieder

Laut Sportstudioverband DSSV sind 7,8 Millionen Menschen Mitglied in einem der etwa 7.000 Fitness-Center. «In den nächsten sechs bis sieben Jahren rechnen wir mit bis zu 12 Millionen Mitgliedern», sagt Geschäftsführer Refit Kamberovic. TK-Vorstand Baas bezweifelt, dass jeder auch regelmäßig hingeht. «Die Anmeldung im Fitnesscenter hat eine gewisse Entschuldigungsfunktion.»

Die Unverbindlichkeit in den Studios führe dazu, dass viele nach wenigen Wochen bereits wieder auf der heimischen Couch liegen, sagt auch Despeghel. Besser sei eine Mitgliedschaft im Verein: «Dort ist der Trainingszeitpunkt festgelegt, die Gruppe wartet, man macht etwa gemeinsam». Über einen Mitgliederschwund können sich die 91.000 Sportvereine jedenfalls nicht beklagen: 27,8 Millionen Menschen waren dort im vergangenen Jahr organisiert - 100.000 mehr als im Vorjahr.