Hannover. Vor dem Beginn des Deutschen Ärztetags bringen sich die Verbände in Stellung. Die Kassenärzte heizen die Debatte im Endlosstreit um die elektronische Gesundheitskarte an. Sie fordern Kurskorrekturen bei dem Millionenprojekt. Der Nutzen für den Patienten steht auf der Kippe.

Zehn Jahre nach dem Beschluss zur Einführung der elektronischen Gesundheitskarte steht ihr medizinischer Nutzen für die Patienten auf der Kippe. Die Kassenärzte drohten am Montag damit, ihre Mitarbeit an dem gigantischen IT-Projekt zu beenden, sollte es weiterhin nur auf die Interessen der gesetzlichen Krankenkassen ausgerichtet sein.

Die ursprüngliche Intention sei der Gesundheitskarte längst nicht mehr anzusehen, kritisierte der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Köhler, in Hannover. Dort beginnt am Dienstag der 116. Deutsche Ärztetag.

Ursprünglich habe man mit Hilfe der Karte die Kommunikation zwischen Ärzten, Krankenhäusern und Versicherten verbessern wollen. Von diesem Ziel sei man aber weit entfernt, meinte Köhler. Wenn eine Veränderung der Ausrichtung nicht klappe, werde die KBV das Bundesgesundheitsministerium bitten, die Gematik als Betreibergesellschaft zur Einführung der Karte aufzulösen.

Projekt kostete bisher mindestens 600 Millionen Euro

Die elektronische Gesundheitskarte ist bereits millionenfach verteilt worden. Langfristig sollen darauf beispielsweise Arztbriefe, Röntgenbilder oder die verordneten Medikamente gespeichert werden. Bisher sind jedoch neben einem Foto lediglich die Stammdaten des Versicherten verzeichnet. Technische und organisatorische Schwierigkeiten verzögerten den Start der intelligenten Karte jahrelang. Das Projekt kostete bisher mindestens 600 Millionen Euro.

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Der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) wies am Montag die Kritik der Kassenärzte vehement zurück. "Statt sich auf Ärzteversammlungen lautstark zu beklagen, wünschten wir uns von den Ärztevertretern eine konstruktive Mitarbeit in der Gematik", erklärte der Pressesprecher des Verbandes, Florian Lanz. Die KBV sei an der Weiterentwicklung der Gesundheitskarte maßgeblich beteiligt gewesen.

Mehr ausländische Ärzte in den Kliniken

Die Kassenärzte sehen Köhler zufolge nicht ein, für die Krankenkassen Verwaltungsaufgaben zu übernehmen. Zudem sei das System technisch nicht ausgereift und verzögere die Abläufe in den Praxen. Der KBV-Vorsitzende erklärte, dass die Kassenärztlichen Vereinigungen ein eigenes, sicheres Netz von Patientendaten aufgebaut hätten. "Es ist nicht so, dass wir in die Steinzeit zurückfallen wollen."

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Vor dem Beginn des Ärztetages in der niedersächsischen Landeshauptstadt plädierte zudem die Klinikärzte-Organisation Marburger Bund (MB) für eine bundesweit einheitliche Anerkennung der Qualifikationen von ausländischen Ärzten. Zudem müssten einheitliche Sprachkurse und -prüfungen eingeführt werden, sagte MB-Chef Rudolf Henke.

Die Zahl der Ausländer unter den Klinikärzten stieg von 11 186 Ende 2006 auf 22 382 Ende vergangenen Jahres. Eine bundesweite Statistik über die Herkunftsländer gibt es Henke zufolge nicht. Im Kammerbezirk Nordrhein beispielsweise wurden 2012 vor allem Mediziner aus Griechenland, Rumänien, Russland, Österreich und der Türkei eingestellt. (dpa)