London. Die Impfung mit der Spritze könnte bald der Vergangenheit angehören: Forscher haben ein Pflaster entwickelt, das mit Hilfe winziger Nadeln den Impfstoff völlig schmerzfrei verabreicht. Tests an Mäusen und an Affenhaut sind erfolgreich verlaufen, klinische Studien am Menschen liegen allerdings noch nicht vor.

Impfungen könnten in Zukunft per Pflaster erfolgen: Einfach eine Viertelstunde auf die Haut geklebt, sorgen winzige Nadeln im Pflastermaterial für eine völlig schmerzfreie Verabreichung des Impfstoffs. Ein US-Forscherteam hat nun eine neuartige Variante dieses Impfprinzips entwickelt, das bereits in mehreren Studien getestet wird.

Der Vorteil des neuen Systems: Die Methode löst - zumindest bei Mäusen - eine sehr starke Immunreaktion aus. Sollte sich das Gleiche beim Menschen zeigen, könnte das neue Pflaster den Weg für völlig neue Impfstoffe freimachen, für die es bisher keine passende Verabreichungsmethode gibt. Zudem könnte das Prinzip möglicherweise auch auf andere Medikamente übertragen werden, berichten Peter DeMuth vom Massachusetts Institute of Technology und seine Kollegen im Fachblatt "Nature Materials".

Impfen mit Erbgut

Pflaster für Impfungen werden bereits von mehreren Pharmafirmen in klinischen Studien getestet. Die meisten setzen allerdings auf herkömmliche Impfstoffe, bei denen ein Fragment eines Erregers oder ein für ihn typisches Eiweiß verabreicht wird. DeMuth und seine Kollegen konzentrierten sich bei der Entwicklung ihres Impfpflasters dagegen auf die sogenannte DNA-Impfung.

Bei dieser Methode wird gezielt ein Erbgutstück in die Körperzellen eingeschleust, das den Bauplan für ein erregertypisches Eiweiß trägt. Die Zelle liest dann diesen Bauplan ab und produziert nach dessen Anweisungen das entsprechende Protein. Anschließend wird es dem Immunsystem präsentiert und löst eine entsprechende Reaktion aus. Dieses Prinzip hat im Vergleich zu herkömmlichen Impfungen theoretisch eine ganze Reihe von Vorteilen, funktioniert in der Praxis bisher allerdings mehr schlecht als recht.

Funktionsprinzip einer Tätowierung

Vor allem die Stärke der Immunreaktion reichte bisher bei weitem noch nicht aus, um einen echten Schutz vor einer Infektion hervorrufen zu können. Das neue Pflaster des Teams um DeMuth könnte dieses Problem jedoch lösen; das legen die ersten Ergebnisse nun nahe. Die Wissenschaftler entschieden sich dabei für ein Funktionsprinzip, das dem einer Tätowierung gleicht: Sie platzieren mit Hilfe einer großen Anzahl winziger Nadeln einen dünnen Polymerfilm in der obersten Hautschicht, wo er sich im Lauf der Zeit dann verteilt und schließlich auflöst.

Dabei setzt er die eingelagerte DNA ebenso frei wie verschiedene Hilfsstoffe. Diese erleichtern zum einen die Aufnahme des Erbguts in die Zellen und kurbeln zum anderen die Immunreaktion zusätzlich an. Die Epidermis, also die oberste Hautschicht, ist sehr reich an Immunzellen, daher eigne sie sich besonders gut für solche Impfungen, erläutert das Team. Der Polymerfilm kann zudem so designt werden, dass er seine DNA-Ladung entweder sehr schnell oder mit einer gewissen Verzögerung abgibt - je nach Anforderung.

Mäuseohren als Testgebiet

Für ihre Tests beschichteten die Forscher die Mikro-Nadeln, die rasenartig auf einem Trägermaterial aufgebracht waren, zuerst mit einer Art Haftschicht, die sich bei Kontakt mit der Haut sofort löst. Darauf platzierten sie abwechselnd positiv und negativ geladene Lagen aus DNA und Hilfsstoffen.

Bekam nun eine Maus dieses Pflaster für 15 Minuten aufs die Haut des Ohrs gedrückt, löste sich die komplette Beschichtung, und die DNA drang anschließend in die Hautzellen ein, berichten die Forscher. Es folgte eine deutlich erkennbare Immunreaktion, die um einiges stärker war als bei einer direkten Injektion der DNA in die Haut.

Tests an Affenhaut vielversprechend

Auch nach zwei Wochen und sogar nach dreieinhalb Monaten ließen sich die Folgen der Impfung noch erkennen: Der Körper der Tiere hatte Antikörper gebildet und auch ein Immungedächtnis angelegt, das bei einem späteren Kontakt mit dem Auslöser wieder aktiviert werden kann. Erste Tests an Affenhaut seien ähnlich vielversprechend verlaufen, berichten die Forscher. Sie sehen auch noch einen anderen Vorteil in ihrem System: Die beschichteten Pflaster lassen sich für lange Zeit bei Raumtemperatur aufbewahren, ohne ihre Aktivität zu verlieren.

Das sei vor allem in Gegenden von Vorteil, in denen es keine Kühlsysteme für herkömmliche Impfstoffe gibt. Zudem lasse sich das Pflaster auch ohne die Hilfe von ausgebildetem Personal anwenden. Welches Potenzial das neue System jedoch tatsächlich habe, könne man erst bewerten, wenn die ersten klinischen Studien am Menschen vorlägen, räumt das Team ein. (dapd)