Düsseldorf. In Düsseldorf zeigt die Messe „Rehacare“ den immensen technische Fortschritt, wenn es um die Unterstützung von Menschen mit Behinderungen geht. Schwerpunkte sind Hilfen zur Mobilität, aber auch „Assistenzroboter“. Doch gerade die Hightech-Produkte haben ihren Preis.

Zurück, höher, weiter nach links, wieder etwas tiefer, noch näher ran – und jetzt gaaanz langsam kippen. Wow, „Jaco“ kann mir das Wasser reichen! Ohne zu schlabbern, trinke ich in einem Rollstuhl in Messehalle drei zwei Schluck Wasser aus einem Plastikbecher, den mir ein schwarz-grauer Roboter-Arm reicht. Ein Arm, den ich mit einem kleinen Hebel mit der linken Hand steuere. Da merkt man erst einmal, wie komplex die so selbstverständliche Bewegung eines Armes überhaupt ist. In „Jacos“ Computer springe ich zwischen einem halben Dutzend Menus hin und her, um „Schulter-“, „Ellenbogen-“ und „Handgelenk“ zu heben, zu senken oder zu rotieren. Am Ende muss mir Programmierer Gijs von der holländischen Firma Focal meditec beispringen, damit nicht doch die vorsorglich bereitgelegten Papiertücher zum Einsatz kommen müssen.

Roboter als Assistent

Roboter als Assistenten für alte, behinderte oder anderweitig eingeschränkte Menschen sind eines der großen Themen auf der gestern eröffneten „Rehacare“ in Düsseldorf. Sie sind gewissermaßen die Speerspitze einer unaufhaltsamen erscheinenden Entwicklung, das Schicksal von Menschen mit Handicap durch technischen Fortschritt erleichtern zu wollen. Egal, ob das Ultraschall-Warnsystem, das Rollator-Fahrer vor Hindernissen warnen soll, das Robbenbaby aus Stoff mit eingebautem Computer, das durch Bewegung und Augenaufschlag mit Demenzkranken kommuniziert, oder der WC-Sitz, der sich automatisch auf die Höhe seines Nutzers einstellt – die Fortschritte sind beeindruckend.

Und doch möchte man als junger, gesunder Mensch freiwillig keines dieser Geräte auf Dauer nutzen müssen.

Elektroauto fährt 15 Stundenkilometer

Das ist bei den orangefarbenen Elektroautos aus der Emmericher Werkstatt Ergobil schon anders. Die kleine Runde durch die Messehalle macht mächtig Spaß, selbst im Schneckentempo, das Firmenchef Joop Wissenburg vorsorglich eingestellt hat. Im Hasen-Gang macht der Elektroroller, den eine feste Karosserie umhüllt, 15 Stundenkilometer. 60 bis 70 Stück der rund 9500 Euro teuren Fahrzeuge will Wissenburg dieses Jahr hierzulande verkaufen, 2013 sollen es 100 werden. „Die meisten unserer Kunden sind ältere Leute, die damit zum Einkaufen fahren“, sagt Wissenburg. Eine Akkuladung reicht für 55 Kilometer. „Hier unten“, sagt er und zeigt auf den Platz zwischen Sitz und Lenker, „passt sogar eine Kiste Bier hin.“

Hilfen zur Mobilität bietet mehr als jeder dritte der 851 „Rehacare“-Aussteller. Da reicht die Vielfalt vom Gehstock über unzählige Rollatoren und Rollstühle bis hin zum Segway für Gelähmte, einem zweirädrigen Roller, den man stehend, nur durch Gewichtsverlagerung steuert.

Trockenen Fußes zum Einkaufen fahren: Ein Elektroroller mit einer festen Karosserie.
Trockenen Fußes zum Einkaufen fahren: Ein Elektroroller mit einer festen Karosserie. © WAZ FotoPool

Wer es sportlicher mag, kann am Stand der Unfallkasse NRW ein „Handbike“ ausprobieren. Eines jener Fahrräder, bei denen die Hände die Räder antreiben, und die auch bei den jüngsten Paralympics in London wieder für Furore gesorgt haben. Als ich die Kurbel drehe, startet auf einem Bildschirm vor mir ein Radler zu einer Querfeldein-Tour – und immer wenn er bergan fährt, wird auch meine Kurbel schwerer. Nach drei Minuten gebe ich leicht angeschwitzt auf. Mir fehlt das Training, bestätigt auch der Betreuer der Unfallkasse: „Jeder Rollifahrer schafft die Runde doppelt so schnell wie wir.“ Vielleicht sollte ich nächstes Mal das neue Modell des Anbieters Ottobock probieren – das unterstützt den Fahrer wie bei einem E-Bike mit einem Elektromotor.

Kosten von etwa 40.000 Euro

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Doch wer soll die ganze Technik eigentlich bezahlen? Der Niederländer Dick J. van der Pijl von Focal Meditec kennt das deutsche Wort „Hilfsmittelverzeichnis“ sehr gut – denn da steht Roboterarm „Jaco“ nicht drin. Anders als in den Niederlanden, wo die Kosten von 30.000 bis 40.000 Euro die Sozialkasse übernimmt. Wenn man bei den Schwerbehinderten durch „Jaco“ eine Pflegekraft ein oder zwei Stunden täglich einspare, rechne sich die Anschaffung , sagt van der Pijl. Doch das sei „die ärmste Argumentation überhaupt“, entschuldigt er sich, weil sie die großen Vorteile des Roboters für den Behinderten selbst ausblende, „zum Beispiel, nicht mehr ständig ,Danke’ sagen zu müssen“. Unterm Strich seien die modernen Gesellschaften aber auf immer mehr Technik in der Pflege angewiesen, meint van der Pijl – schon weil es immer mehr Pflegebedürftige und immer weniger Pfleger gebe.