Leipzig. . Nach dem Einsetzen einer Hörprothese müssen Menschen das Hören und Verstehen neu erlernen. Neue Forschungsergebnisse zeigen, welche Bereiche des Gehirns für einen erfolgreichen Lernprozess verantwortlich sind. Dadurch lassen sich Therapiemöglichkeiten besser anpassen und effizienter gestalten.
Nach dem Einpflanzen einer Hörprothese müssen gehörlose oder schwerhörige Menschen vollkommen neu hören und verstehen lernen. Dies geht bei einigen schneller, bei anderen langsamer. Forscher am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig fanden heraus, woran das liegt: Sie entdeckten einen Zusammenhang zwischen der Lerngeschwindigkeit und dem Thalamus, einem Teil des Zwischenhirns, wie Jonas Obleser, Leiter der Forschungsgruppe Auditive Kognitionam MPI, berichtet.
In Versuchen wurden Normalhörende in eine ähnliche Lage wie Menschen mit Cochlea-Implantaten versetzt, also Personen, die ein künstliches Innenohr implantiert bekommen haben. Die Doktorandin Julia Erb, die der Forschungsgruppe angehört, spielte den Versuchsteilnehmern ein lautes Geräusch vor, das dem ähnelt, das Menschen mit einem künstlichen Innenohr hören. Weil der Lernprozess untersucht werden sollte, musste es außerdem ein Geräusch sein, das die Probanden noch nie gehört hatten. Die Doktorandin ließ dabei hochauflösende Aufnahmen mit einem Magnetresonanztomographen anfertigen, auf denen verschiedene Gehirnabschnitte zu sehen sind. Dort entdeckte sie Zusammenhänge zwischen der Beschaffenheit eines Teil des Zwischenhirns, dem Thalamus und der Lerngeschwindigkeit.
Forschungsergebnisse für individuelle Therapien interessant
"Ursprünglich hatten wir es in der Großhirnrinde vermutet", berichtet Obleser. Der Thalamus bildet den größten Teil des Zwischenhirns. Er leitet Informationen zur Großhirnrinde, erhält aber über starke Verbindungen auch Informationen zurück. "Die Geschwindigkeit, sich an neue Sprachsignale anzupassen, hängt offenbar mit der Dichte im Thalamus zusammen", erläutert Erb. "Wenn das Zwischenhirn Informationen, die es aus dem auditiven System bekommen hat, besonders effektiv und gut an die Großhirnrinde verteilt, können Menschen sich schneller an ungewohnte Sprachsituationen anpassen."
Diese Forschungsergebnisse könnten dazu verwandt werden, einzuschätzen, wer nach einer Operation, bei der ein künstliches Innenohr eingesetzt wird, eine kürzere oder längere Therapie benötigt. "Dann könnte die Therapie jeweils an den einzelnen Menschen angepasst werden", sagt Obleser. Unabhängig von den Ergebnissen der Forschung empfiehlt er, Hörfehler und Hörmängel möglichst zeitig behandeln und Hörgeräte so früh wie nötig anpassen zu lassen. Denn je jünger eine Person sei, desto größer sei in der Regel ihre Lerngeschwindigkeit. (dapd)