Berlin.. Entgegen den Beteuerungen von Ärzten und Bundesregierung werden Privatversicherte bei der Vergabe von Spenderorganen womöglich doch bevorzugt. Laut einem Medienbericht von Dienstag liegt der Anteil der Privatversicherten an allen Transplantationen höher als ihr Anteil auf der Warteliste

Privatversicherte werden möglicherweise bei der Vergabe von Spenderorganen begünstigt. Diese Annahme legen Berechnungen des Grünen-Gesundheitsexperten Harald Terpe nahe. Danach war der Anteil der Privatversicherten an Transplantationen von Spenderorganen höher als ihr Anteil auf der Warteliste. Die "Berliner Zeitung" hatte am Dienstag als erste darüber berichtet. Die Deutsche Hospiz Stiftung und die Linksfraktion zeigten sich über die neuen Zahlen empört.

Nach Terpes Berechnungen lag der Anteil der Privatversicherten auf der Warteliste für eine Leber bei 9,7 Prozent - der Anteil derjenigen Privatversicherten, die 2011 eine neue Leber bekamen, lag aber bei 13,1 Prozent. Ein ähnliches Bild ergab sich den Berechnungen Terpes zufolge bei Herzen (Warteliste 9,5 Prozent, Transplantationen 11 Prozent), bei Lungen (6,9 im Vergleich zu 9,5 Prozent) und bei Bauchspeicheldrüsen (2,6 im Vergleich zu 4 Prozent). Ähnliche Auffälligkeiten entdeckte Terpe auch beim Anteil der Privatversicherten am sogenannten beschleunigten Verfahren, bei dem die Transplantationszentren unabhängig von der Warteliste selbst Patienten auswählen dürfen.

Terpe hat nach eigener Darstellung die Zahlen der für die Zuteilung von Spenderorganen zuständigen Stiftung Eurotransplant mit Stand August 2012 ausgewertet. Dabei legte er den Angaben zufolge die Zahl derjenigen Privatversicherten zugrunde, die tatsächlich auf der Warteliste für ein Organ stehen. Für den Anteil der Privatversicherten an den Transplantationen verwendete der Grünen-Politiker die Daten für das Jahr 2011.

Bahr: Die Bundesregierung kann keinen derartigen Trend feststellen

Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) ist Vorwürfen entgegengetreten, Privatversicherte würden bei der Vergabe von Spenderorganen begünstigt. Die Bundesregierung könne keinen Trend feststellen, der für eine Bevorzugung von privat krankenversicherten Patienten spreche, sagte Bahr am Dienstag dem NDR. Bahr reagierte auf Berechnungen des Grünen-Gesundheitsexperten Harald Terpe. Danach war der Anteil der Privatversicherten an Transplantationen von Spenderorganen höher als ihr Anteil auf der Warteliste.

Bahr betonte, ein genereller Unterschied zwischen gesetzlich und privat Krankenversicherten werde nicht gemacht. "Das weiß ich auch aus den Transplantationszentren", sagte der Minister. Zugleich machte er deutlich, dass die Regeln der Organspende und -verteilung überprüft würden.

"Offensichtliche Benachteiligung" von gesetzlich Versicherten

Der Vorstand der Deutschen Hospiz Stiftung, Eugen Brysch, forderte, die "offensichtliche Benachteiligung von gesetzlich Versicherten aufzuklären". Ebenso verlangte er vom Gesetzgeber, "die Statistenrolle des Staates im Organspendesystem aufzugeben".

Die gesundheitspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Martina Bunge, kritisierte, bei" der Organspende zeigten "sich die zynischen Folgen der Zwei-Klassen-Medizin in Deutschland". Gesetzlich Versicherte würden nicht nur später behandelt oder von Leistungen und Arzneimitteln am Ende des Quartals ausgeschlossen, sie warteten auch länger auf ein lebensrettendes Spenderorgan. Bunge forderte: "Die Zwei-Klassen-Medizin ist ein Skandal und muss beendet werden." Der einzig sinnvolle Weg dazu sei die Abschaffung der privaten Krankenvollversicherung. (dapd)