Berlin. Jedes vierte Herz wird in beschleunigten Vermittlungsverfahren von Kliniken verteilt. Vor zehn Jahren lag der Anteil noch bei weniger als zehn Prozent. Das geht aus einer Erkärung der Bundesregierung hervor. Politiker nennen die Zahl erklärungswürdig. Sogar Ärzte fordern höhere Transparenz.
Krankenhäuser wählen die Empfänger von Spenderorganen immer häufiger eigenständig aus. Jedes vierte Herz, jede dritte Leber und jede zweite Bauchspeicheldrüse wird in "beschleunigten Vermittlungsverfahren" direkt von den Kliniken verteilt, wie aus einer Antwort der Bundesregierung an den Abgeordneten Harald Terpe (Grüne) hervorgeht. 2002 hatte der Anteil dieses Verfahrens bei Herz, Leber und Bauchspeicheldrüse noch bei weniger als zehn Prozent gelegen. Die Bundesärztekammer zeigte sich beunruhigt.
Das beschleunigte Verfahren soll nach den Vergaberegeln der Ärztekammer für die Vermittlung der Organe älterer oder kranker Spender angewendet werden, für die es nur wenige geeignete Empfänger gibt. Experten äußern jedoch immer wieder den Verdacht, bei diesem Verfahren würden Organe "kränker" dargestellt, um das bestehende System der Organverteilung zu unterlaufen, wie die "Frankfurter Rundschau" in ihrer Dienstagausgabe schreibt.
Ärztepräsident Montgomery irritiert die Dynamik der Organvermittlung
Ärztepräsident Ulrich Montgomery sagte dem "Tagesspiegel" am Mittwoch, die Dynamik der erleichterten Organvermittlung irritiere ihn erheblich. In einer gemeinsamen Pressemitteilung mit der Vergabestelle Eurotransplant erklärte die Ärztekammer zudem, Ziel müsse sein, "das Vermittlungsverfahren so transparent zu gestalten, dass ersichtlich ist, welche Patientin beziehungsweise welcher Patient nach welchen Kriterien ein Organ erhält". In der Regel vermittelt Eurotransplant Spenderorgane anhand von Wartelisten.
Der Grünen-Politiker Terpe nannte die gestiegene Zahl beschleunigter Verfahren erklärungsbedürftig. Die Organvermittlung müsse nachvollziehbar gemacht und von einer unabhängigen Einrichtung evaluiert werden. "Nach den Ereignissen in Göttingen und Regensburg müssen wir alles tun, um sicher zu gehen, dass nicht auch an anderer Stelle manipuliert wird", sagte er der "Berliner Zeitung". Ein Oberarzt, der an den Universitätskliniken beider Städte gearbeitet hat, soll Krankenakten manipuliert haben, um Patienten auf der Warteliste für Spenderorgane ganz vorn zu platzieren.
Kliniken müssen Organspendevergabe schriftlich begründen
Die stellvertretende Vorsitzende im Gesundheitsausschuss, Kathrin Vogler (Linke), forderte eine umgehende Befassung des Bundestages mit sämtlichen Regelungen zur Organspende in einer öffentlichen Ausschusssitzung. "Nur so kann Transparenz und Vertrauen wiederhergestellt werden", sagte sie.
Das Gesundheitsministerium erklärt die gestiegene Zahl der direkten Vergabe vor allem mit einem Anstieg des Durchschnittsalters der Spender. Eine Sprecherin betonte, auch im "beschleunigten Verfahren" sei Eurotransplant mit eingebunden. Zudem müssten sich auch die Kliniken an die entsprechen Richtlinien halten und ihre Vergabeentscheidungen schriftlich begründen. (dapd)