Essen. . Winzer auf der ganzen Welt bangen um die Güte ihrer Weine: Die Trauben werden immer früher reif, der Alkoholgehalt steigt deutlich. Schuld am schweren Wein ist der Klimawandel. Forscher aus Frankreich und Deutschland versuchen nun, den Alkoholgehalt zu senken.
Die Französische Botschaft in Berlin verbreitet alarmierende Nachrichten: Frankreichs Weine, also aus französischer Sicht die besten der Welt, enthalten immer mehr Alkohol. Viel zu viel, wie Experten meinen. Ein Beispiel: Seit den 1980-er Jahren stieg der Alkoholgehalt von Weinen aus dem Languedoc alle zehn Jahre um ein Prozent. So kommt der gute Tropfen aus Südfrankreich heute auf 13 Prozent Alkohol. In manchen Fässern reift sogar Wein heran, der es auf fast schon Likör-verdächtige 15 Prozent bringt. Früher waren elf Prozent die Regel.
Dieses Phänomen sei seit einiger Zeit auf der ganzen Welt zu beobachten: Die Trauben reifen immer früher heran. Laut einer in der Fachzeitschrift Nature Climate Change veröffentlichten Studie setzt die Traubenreife in Süd-Australien und in der Region von Colmar in Frankreich alle zehnJahre etwa acht Tage früher ein und in Geisenheim in Deutschland etwa vier Tage.
Diese frühere Fruchtreife habe mehrere Nachteile: So müsse die Beerenlese oft bei großer Hitze erfolgen. Im Languedoc werden die Früchte nun im August statt im September geerntet, was sich, wie die Winzer beteuern, nachteilig auf die Qualität des Weines auswirkt. Bessere Ergebnisse werden mit einer Lese bei niedrigeren Temperaturen erzielt. Bei Weißwein steigert Wärme noch zusätzlich die Oxidation.
Der Wein wird nicht schlechter, aber anders
Zu warm, zu viel Sonne, mehr Reife, mehr Süße – das treibt den Alkoholgehalt nach oben. Nicht nur im sonnigen Süden Europas, sondern auch in Deutschland. „Der Wein wird dadurch nicht schlechter, aber er wird anders“, erklärt Bernd Gruber von der Forschungsanstalt Geisenheim für Wein- und Gartenbau. Soll heißen: Deutsche Weine, die traditionell als fruchtig und leicht gelten, bekommen einen anderen „Charakter“, und das gefällt vielen Weinbauern nicht. Sie halten es mit Konrad Adenauer: Keine Experimente!
„Der Kabinett-Wein leidet am stärksten“, sagt Bernd Gruber, „Früher war Kabinett ein leichter Trinkwein mit 11 bis 11,5 Prozent Alkohol, heute hat er 12,5 Prozent.“ „Leicht“ trifft es also nicht mehr wirklich. Der Experte geht aber nicht davon aus, dass alle Weinbauern durch den Klimawandel beeinträchtigt werden. „Es gibt Gewinner, und es gibt Verlierer. Einige Gegenden, einige Lagen dürften von den steigenden Temperaturen und von mehr Trockenheit sogar profitieren. Mancher Weinbauer hat vielleicht früher nur davon geträumt, einen Riesling anzubauen. Heute kann er das. Gerade die Randlagen werden Vorteile haben. Anders ist das bei den heutigen Spitzenlagen. Die werden, schlicht gesagt, zu gut. Die Trauben werden zu früh reif.“
Früh reifender Riesling habe zum Beispiel häufig Fäulnisprobleme. Dennoch dürfte dieses „Aushängeschild“ der deutschen Weinbauern nicht dem Klimawandel zum Opfer fallen. Und: Wo Riesling in Zukunft nicht mehr wachsen sollte, hat vielleicht Rotwein eine Chance.
Weinlese in Schweden
Der Deutsche Weinbauverband wird dem Thema Klimawandel im nächsten Jahr einen internationalen Kongress widmen. Der Kreis der möglichen Adressaten wird immer größer. Inzwischen experimentieren sogar schon Schweden mit dem Weinanbau. Auch in Berlin sollen die sensiblen Trauben zu akzeptabler Süße reifen, manchmal jedenfalls, wenn das Sommerwetter dies zulässt. „Die Schwankungen sind riesig, der Klimawandel vollzieht sich ja nicht von heute auf morgen“, so Gruber. Kurios: Noch vor zehn Jahren ging es den Weinbauern in Deutschland eher darum, den Alkoholgehalt des Weines zu erhöhen. Während man sich damals viele Gedanken um den Mindestalkoholgehalt machte, geht es heute um die Höchstgrenzen.
Auch in Frankreich. Das französische Institut für Agrarforschung hat ein Projekt mit dem Titel „Qualitätswein mit niedrigem Alkoholgehalt“ gestartet. Das kurzfristige Ziel der Forscher war die Entwicklung einer neuen Technologie zur „Entalkoholisierung“ von Wein, die heute bereits perfekt funktioniert, wie die Französische Botschaft versichert. Ein Teil des Wassers und des Alkohols wird aus dem Wein extrahiert, der Alkohol wird teilweise entfernt und das so gewonnene pflanzliche Wasser anschließend wieder dem Wein zugeführt. Angeblich bleibt das Aroma des Weines auf diese Weise voll erhalten. Der Alkoholgehalt des Weins darf um höchstens zwei Prozent gesenkt werden und darf nicht unter neun Prozent fallen, da das Getränk sonst nicht mehr als Wein bezeichnet werden darf. Der nächste Schritt für die Wissenschaftler besteht darin, neue Traubensorten mit einem geringeren Zuckergehalt zu züchten, die somit weniger Alkohol produzieren. Auch deutsche Wissenschaftler versuchen sich an verschiedenen Methoden der „Entalkoholisierung“.