Weesp. In der Pflegesiedlung „De Hogeweyk“ bei Amsterdam setzt man auf eine gewohnte Umgebung und Details aus längst vergangenen Zeiten. Deutsche Alzheimergesellschaft ist skeptisch.

Am Nachmittag einen Walzer tanzen, abends ins Theater, anschließend vielleicht noch gemütlich im Restaurant etwas essen. So wie früher – als man sich noch erinnern konnte, was am Vortag auf der Speisekarte stand. „Für Menschen mit Alzheimer ist es besonders wichtig, ihr Leben so normal wie möglich weiterzuleben“, sagt Isabel van Zuthem, Sprecherin einer Alten-Einrichtung in den Niederlanden, die genau das versucht. „De Hogeweyk“ ist eine Pflegesiedlung, ein kleines Dorf für Alzheimer-Patienten.

152 demente Senioren leben dort, flanieren tagsüber auf den kleinen Sträßchen, kaufen im dorfeigenen Supermarkt ein, lassen sich beim Friseur die Haare schneiden oder sich im Beauty-Salon verschönern. 240 Mitarbeiter sorgen dafür, dass sich die älteren Herrschaften fühlen, als lebten sie ein ganz normales Leben – vom geschulten Kellner im Restaurant bis zum Arzt.

Die Bewohner leben in Wohngemeinschaften. Auf eine Sechser-WG kämen ein bis zwei Pfleger – die Betreuung sei 24 Stunden am Tag gewährleistet, sagt Isabel van Zuthem. Mitarbeiter übernehmen das Kochen, Waschen und Putzen, kleinere Aufgaben erledigen die Bewohner selbst, wie Kartoffeln schälen oder einkaufen. Das Bezahlen können sie dabei übrigens getrost vergessen – die Rechnung kommt am Monatsende.

Schwarze Klobrillen und Retro-Radios

„Alzheimer-Patienten reisen rückwärts in der Zeit“, sagt van Zuthem. Deshalb sei es so wichtig, eine Umgebung zu schaffen, die die Menschen nicht überfordere. Flachbildfernseher sind tabu, Radios im Retro-Look machten das Wohnzimmer schon eher heimelig. Sehr gut kämen auch die schwarzen Klobrillen an, erzählt Isabel van Zuthem weiter. Vermutlich, weil sie vor 40 Jahren mal modern waren.

Seit Ende 2009 gibt es das „Alzheimer-Dorf“ in Weespe bei Amsterdam, es ist das erste seiner Art in den Niederlanden, vermutlich auch in Europa. Und Isabel van Zuthem ist vom Konzept überzeugt. „Die Bewohner sind weniger aggressiv oder ängstlich, sie sind ruhig und brauchen weniger Psychopharmaka und Schlafmittel“. Wissenschaftlich erwiesen sei dies zwar nicht, „aber wir haben Erfahrungswerte aus anderen Heimen“.

Deutsche Alzheimergesellschaft ist skeptisch

Ein gutes Beispiel auch für Deutschland? Hans-Jürgen Freter ist da skeptisch. Der Sprecher der Deutschen Alzheimergesellschaft freut sich zwar über die positive Entwicklung der niederländischen Patienten, generell hat er aber ein Problem damit, Sonderbereiche für an Alzheimer erkrankte Menschen zu schaffen. „Man sollte sie lieber integrieren und in Einrichtungen in der Nähe ihrer Familien unterbringen“, sagt er.

Auch bei der Finanzierbarkeit sieht Freter große Probleme: „Das Geld, das man investieren müsste, kann man auch sinnvoller einsetzen.“ Vor allem Selbsthilfegruppen und Beratungsstellen könnten mehr Unterstützung gebrauchen, sagt er.

In der Schweiz will man es dagegen versuchen. Der Altenheim-Betreiber Dahlia plant ein Alzheimer-Dorf nach niederländischem Vorbild im Oberaargauer Städtchen Wiedlisbach. „Wir sind überzeugt, dass eine Atmosphäre wie in Hogewey den alten Menschen gut tut“, sagt Sprecher Markus Vögtlin.