Essen. . Das Unternehmen Hebamme ist wenig lukrativ. Aufgrund hoher Berufshaftpflichtprämien ziehen sich immer mehr Freiberufliche aus der Geburtshilfe zurück. Rund 12.500 von 16.000 aktiven Hebammen, so schätzt der Deutsche Hebammenverband, arbeitet auf eigene Rechnung, einige davon neben einer Angestellten-Tätigkeit.

„Tok-tok, tok-tok, tok-tok...“, wie Pferdegetrappel klingt das Pochen des zweiten Herzchens, das im Mutterleib von Luzia Albrecht schlägt. Vorsichtig bewegt Hebamme Elli Conrads (46) den Kopf eines sogenannten Fetal-Dopplers über den prallen Bauch der Hochschwangeren. Das moderne Hörrohr überträgt die Herztöne des ungeborenen Kindes in den Vorsorge-Raum. Schon bald wird Luzia Albrecht im Essener Geburtshaus ihr zweites Kind zur Welt bringen.

Der Wunsch, diesen intimen Moment mit den Müttern zu teilen, Freudentränen und Kinderglück – es sind idealistische Gründe, Hebamme zu werden, keine ökonomischen. „Ich hab’s nicht so mit Zahlen“, sagt auch Elli Conrads, und doch ist ihr klar, dass es finanzielle Aspekte des Berufs sind, gegen die viele Kolleginnen derzeit protestieren. Ein durchschnittlicher Stundenlohn von 7,50 Euro, bei vollem unternehmerischem Risiko, das sei keine angemessene Bezahlung für eine medizinische Fachkraft, so Barbara Blomeier vom Hebammenverband NRW. Zum Vergleich: Das ist weniger als einer angestellten Arzthelferin an Verdienst bleibt.

Rund 12 500 von 16 000 aktiven Hebammen, so schätzt der Deutsche Hebammenverband, arbeitet auf eigene Rechnung, einige davon neben einer Angestellten-Tätigkeit. Vor allem die gestiegenen Prämien für die Berufshaftpflicht sind für die Freiberuflichen zum horrenden Kostenfaktor geworden. Allein seit 2010 ist die Versicherung um mehr als die Hälfte auf 3689 Euro jährlich angestiegen – ein Grund für viele, dem Kerngeschäft des Berufs den Rücken zu kehren: Nur noch etwa 4000 freiberufliche Hebammen helfen Kindern auf die Welt – Tendenz sinkend. Alle anderen verdienen ihr Geld ausschließlich mit Schwangeren-Vor- und -Nachsorge. „Die Geburtshilfe ist zu einem teuren Hobby geworden, das in die Insolvenz führt“, so Blomeier.

Durststrecken bewältigt

Existenzängste plagen das Essener Geburtshaus derzeit nicht, auch wenn es in den letzten vierzehn Jahren immer wieder Durststrecken zu bewältigen gab, berichtet Elli Conrads. „Im Team sind wir besser dran als viele Kolleginnen, die alleine wirtschaften. Wir können die Verantwortung und die Kosten für das Haus teilen.“

Zwischen 120 und 150 Geburten pro Jahr begleiten Elli Conrads und zwei andere Gesellschafterinnen des Geburtshauses. Unterstützt werden sie von zwei Teilzeitbürokräften und zwei Hebammen auf Honorarbasis. Ihre Leistungen rechnen sie einzeln mit der Krankenkasse ab: Für eine halbe Stunde Hilfe bei Schwangerschaftsbeschwerden gibt’s etwa 15 Euro, einen Wöchnerinnen-Besuch vergütet die Krankenkasse mit 26 Euro. Eine Geburt bringt 237 Euro, wenn sie die Frauen als Beleg-Hebammen in einen Klinik-Kreißsaal begleiten, 560 Euro wenn das Kind im Geburtshaus zur Welt kommt. Alles zusammengenommen, schätzt Conrads, lassen sich mit jedem geborenen Kind Einnahmen von maximal 1500 Euro erzielen – vom ersten Gespräch bis hin zur Rückbildungsgymnastik und Stillberatung. Ein Umsatz, mit dem die Frauen ihre Sozialversicherungen bestreiten, ein Auto unterhalten, den „ziemlichen Kostenapparat“ des Geburtshauses stemmen müssen.

Fachkraft statt Assistenz

Mit Personal und Miete sind für letzteres 12 000 Euro im Monat notwendig – querfinanziert auch durch zusätzliche Kurse für junge Familien von Schwangeren-Yoga bis zur Baby-Massage. Rund 3000 Euro zahlen sich die Hebammen jeweils monatlich als Bruttoverdienst aus: „Davon bleibt mir die Hälfte zum Leben. Das ist nicht üppig, aber als Hebamme kann man nur reich werden, wenn man täglich rund um die Uhr arbeitet.“

Viele Hebammen verdienen sich etwas dazu, in dem sie Still- und Babyartikel vertreiben, ihr Angebot weit über die normale Vor- und Nachsorge hinaus erweitern, berichtet Barbara Blomeier vom Hebammenverband. Diese Entwicklung betrachtet sie mit Sorge: „Wir sind nicht in erster Linie Wohlfühl-Assistentinnen, sondern medizinische Fachkräfte.“

Für Elli Conrads kommt es nicht in Frage, die Geburtshilfe aufzugeben. „Das ist für mich das Salz in der Suppe.“ Luzia Albrecht dankt ihr ihre Hartnäckigkeit. Sie ist froh, dass eine vertraute Hebamme an ihrer Seite ist, sobald die Wehen einsetzen. Ende November ist es soweit.