Leipzig. . Nach Überzeugung des Psychiaters Ulrich Hegerl nehmen Depressionen nicht zu; vielmehr würden sie heute öfter diagnostiziert. Laut WHO sind Depressionen die bedeutendste Volkskrankheit hierzulande. 90 Prozent aller Suizide gehen auf sie zurück.
Trotz scheinbar steigender Fallzahlen nehmen Depressionen nach Überzeugung des Leipziger Psychiaters Ulrich Hegerl nicht zu. "Sie werden lediglich von den Ärzten besser erkannt und es holen sich auch mehr Betroffene als früher tatsächlich Hilfe", sagte Hegerl am Freitag in Leipzig. Hinzu komme, dass früher körperliche Auswirkungen nicht als Folge einer Depression erkannt und deshalb beispielsweise lediglich als Rückenschmerzen diagnostiziert worden seien.
Bedeutenste Volkskranktheit in Deutschland
Hegerl, Chef der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Leipzig, verwies auf Berechnungen der Weltgesundheitsorganisation WHO, wonach Depressionen die bedeutendste Volkskrankheit in Deutschland sind. "Der Leidensdruck der depressiv Erkrankten ist größer als bei so gut wie jeder anderen Erkrankung", sagte Hegerl. Deshalb steige bei Erkrankten das Suizidrisiko. Bei den rund 9.600 Suiziden in Deutschland im Jahr 2009 sei in 90 Prozent der Fälle eine psychiatrische Erkrankung, meist eine Depression, Auslöser gewesen. An seiner Klinik werde derzeit erforscht, welchen Zusammenhang es zwischen Wachheitszuständen und der Stimmung gibt, erklärte Hegerl.
Ständig erhöhter Wachheitszustand
Denn es habe sich gezeigt, dass Depressive sich in einem ständig erhöhten Wachheitszustand befinden, ohne abschalten zu können, obwohl sie sich häufig erschöpft fühlten. "Der Entzug von Schlaf ist überraschenderweise eine hochwirksame Behandlungsmethode bei diesen Patienten", sagte er. Hegerl äußerte sich auf einer Pressekonferenz anlässlich des 200. Jahrestags der Einrichtung des weltweit ersten Psychiatrie-Lehrstuhls in Leipzig. An der Geburtsstätte der modernen Psychiatrie diskutierten Experten am Freitag unter anderem den Stand der Forschung zur Depression und anderen Erkrankungen der Psyche. (dapd)