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Obwohl der Einsatz von Antibiotika zur Leistungssteigerung von Zuchtvieh verboten ist, sind 2010 rund 1000 Tonnen verbraucht worden. Kritiker vermuten, dass das Verbot umgangen wird, indem Antibiotika als Arznei eingesetzt werden.

In Tiermast-Betrieben wird in großem Umfang Antibiotika verfüttert, um Krankheiten bei Schweinen, Rindern, Kälbern und Geflügel zu stoppen. 2010 wurden dort nach Schätzungen der Bundesregierung rund 1000 Tonnen verbraucht. Das gefährdet die menschliche Gesundheit. Die Regierung spricht von einem „bedeutenden Problem“, da Antibiotika bei einem unachtsamen Einsatz in der Tierzucht in die Nahrung des Menschen gelangen und beim ihm eine Resistenz gegen hochwirksame Arzneien auslösen kann.

Zuletzt hatte es im Frühsommer bei der Suche nach dem Ehec-Erreger eine Debatte über die zunehmende Antibiotika-Resistenz in der Bevölkerung gegeben. Weil die Gefährlichkeit des Resistenz-Keimes MRSA, durch den jährlich bis zu 7000 Menschen sterben, bekannt ist, ist die Verfütterung von Antibiotika zur Leistungssteigerung von Zuchtvieh seit 2006 EU-weit verboten. Der Einsatz als Arznei ist allerdings weiterhin erlaubt.

Verdacht, dass das Verbot umgangen wird

Bei Kritikern gibt es jetzt den Verdacht, dass das Verbot auf diese Weise umgangen wird. In einer Antwort auf eine Anfrage der Grünen im Bundestag bestätigt das Ernährungsministerium „Schätzzahlen“, wonach Schweine in Deutschland pro Jahr 5,9 mal jährlich mit entsprechenden Medikamenten behandelt werden, Rinder 2,5 und Kälber 2,3 mal. Niedersächsische Untersuchungen, die „nicht repräsentativ“ seien, besagten, dass auch Masthähnchen im Lauf ihres im Schnitt 32-tägigen Lebens 2,3 mal Antibiotika verabreicht wird. Niedersachsen habe weitere Untersuchungen eingeleitet. Auch in NRW wird ermittelt, wie stark Antibiotika in der Tierzucht als Arznei eingesetzt wird.

Das Ernährungsminsterium bestätigt zudem mehrere Studien der Bundesanstalt für Risikobewertung. So ermittelte die Bundesanstalt, dass 2010 32 Prozent der Proben von Putenfleisch mit dem gefährlichen, Resistenz auslösenden Keim MRSA durchseucht waren. Schon 2009 habe die Behörde in 290 Schweinemastbetrieben den Stallstaub untersucht und in 52 Prozent dieser Betriebe MRSA-Bestandteile gefunden. Betriebe mit ökologischen Haltungsformen waren keimfrei. Die Regierung zitiert zudem eine Untersuchung des bundeseigenen Robert Koch-Instituts, wonach Landwirte aus Betrieben, die Antibiotika einsetzen, selbst zu 86 Prozent mit dem MRSA-Keim infiziert sind.

Die nordrhein-westfälische Landesregierung und die Bundestags-Grünen drängen darauf, dass den Gesundheitsbehörden genauere und regionalisierte Daten über den Einsatz von Antibiotika in der Tierzucht übermittelt werden. Die Bundesregierung lehnt dies bisher mit Hinweis auf den Datenschutz ab, weil behandelnde Tierärzte schnell identifiziert werden könnten.