Castrop-Rauxel. . Museumspädagoge Börje Nolte arbeitet nicht immer mit Kindern. Für das Programm „Kohle weckt Erinnerungen“ besucht er alte Menschen im Seniorenheim. Mit einer ungewöhnlichen Methode hilft er Demenzkranken, sich zu erinnern.

Die Sonne scheint, die fünf Senioren sitzen im Freien, sie trinken Saft und Wasser. Eigentlich eine ganz normale Szene im Wilhelm-Kauermann-Seniorenzentrum der Arbeiterwohlfahrt. Wäre da nicht Börje Nolte. im blau-weißen Hemd, mit feuerfester beigefarbener Hose, Schutzhelm und einem weißen Tuch um den Hals. Alle erkennen sofort: „Der Steiger besucht uns.“

Daran, dass Börje Nolte schon vor zwei Wochen zu Besuch war, erinnert sich aber niemand mehr. Das Bild des charismatischen jungen Mannes ist aus ihren Köpfen verschwunden. Denn: Die fünf Menschen, die hier so friedlich im Kreis sitzen, leiden unter Demenz. Die Krankheit zerstört Gehirnzellen, bis das Organ wichtige Funktionen wie das Speichern von Erinnerungen nicht mehr erfüllen kann.

Der Steiger hat die Utensilien und Produkte mitgebracht, die man mit seinem Beruf verbindet. Ein Stück Kohle geht durch die Runde. Jeder darf es anfassen, die Konturen auf dem unförmigen schwarzen Brocken ertasten und ihn in aller Ruhe in Augenschein nehmen.

Senioren plötzlich in Plauderlaune

„Mein Mann hat das schon damals von der Zeche mitgebracht“, fängt Lotte Trapp an zu erzählen, als sie das Stück Kohle in ihren Händen hält. Die alte Dame saß ein paar Minuten zuvor noch teilnahmslos in ihrem Rollstuhl und sagte kaum ein Wort.

Aber jetzt blüht sie spürbar auf, erzählt munter von ihrem Alltag aus Kindertagen und als junge Frau. Von Mutterhölzken berichtet sie. Auch die hat Börje Nolte mitgebracht. Das waren Holzsplitter, die die Menschen benutzt haben, um Feuer in den Öfen zu machen, erklärt die Rentnerin. Es waren die Reste, die von den Holzbalken übrigblieben, die die Menschen im Bergwerk zum Stollenbau benutzten.

Auch Margarete Primus ist plötzlich in Plauderlaune. Sie will unbedingt wissen: „Sind sie gerne Steiger? Ich habe viele Leute gekannt, die waren nicht gerne Steiger.“ Die Antwort auf diese Frage ist leicht, weil Börje Nolte gar nicht auf der Zeche arbeitet. Zumindest nicht als Steiger. Er ist Museumspädagoge beim LWL-Industriemuseum „Zeche Nachtigall“. Und das Programm „Kohle weckt Erinnerungen“ hat ihn in das Altenheim geführt.

Gute alte Zeit lebt wieder auf

Die Diakonie Ruhr und der Landschaftsverband Westfalen-Lippe haben diese Form der Erinnerungsarbeit ins Leben gerufen und das Angebot gemeinsam entwickelt. Seit Oktober 2010 besuchen Börje Nolte und seine Kollegin Hildegard Priebel jede Woche auch ein Altenzentrum in Witten. Dort leben 24 an Demenz erkrankte Bewohner.

„Der Ansatz ist, dass wir immer wiederkehrende und vertraute Situationen schaffen“, sagt der Pädagoge. Eben solche Situationen, die die Menschen aus ihrer Vergangenheit kennen. Und der Ansatz dieser Form von Erinnerungsarbeit funktioniert hervorragend. Nachdem noch Ölkanne, Hufeisen und Anderes die Runde gemacht hat, plaudert die Gruppe in Castrop-Rauxel munter über die gute alte Zeit, die sie eigentlich schon vergessen hatte.

Börje Nolte ist zufrieden, wenn es so gut läuft. Er wird wiederkommen.