Essen. . Im Kampf gegen den Ärztemangel in einigen ärmeren Stadtteilen des Ruhrgebiets könnten künftig Arztbusse eingesetzt werden. Diese Idee verfolgen die Kassenärztlichen Vereinigungen Nordrhein und Westfalen-Lippe - allerdings nur Notlösung, falls sich nicht bald mehr Ärzte dort niederlassen.

Die Idee stammt aus den 90er-Jahren und war den Ärmsten unserer Gesellschaft gewidmet: Ärzte fahren mit Bussen in Problemviertel, um Obdachlose zu behandeln. Nun erinnern sich führende Ärztevertreter in NRW dieser Idee im Kampf gegen den Ärztemangel in manchen Stadtteilen. So sei es denkbar, dass etwa in der Dortmunder Nordstadt oder in Altenessen künftig Busse mit mobilen Ärzteteams auch die normale Wohnbevölkerung versorgen.

Praktisch muss man sich das so vorstellen: Am Dienstag könnte zum Beispiel ein Bus mit Allgemeinmedizinern in die Hochhaussiedlung kommen, am Mittwoch einer mit Gynäkologen und anderntags ein mobiles Kinderärzteteam.

Kernrevier überversorgt

„Bisher ist es nur eine von vielen Ideen“, betont Wolfgang Axel Dryden, Chef der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe. Sein Pendant vom Nordrhein, Peter Potthoff, nickt. Beide diskutieren beim „Gesundheitskongress des Westens“ in Essen darüber, wie die Arztpraxen im Land besser verteilt werden können. Denn was die Bundesregierung in ihrem Versorgungsgesetz plant, reicht nach ihrer Überzeugung nicht aus.

So gibt es einen Ärztemangel auf dem Papier bisher nur auf dem Land, am Niederrhein etwa oder im Sauerland. Das Kernrevier ist überversorgt. Die beiden größten Revierstädte Dortmund und Essen haben Versorgungsquoten mit Hausärzten von 111 bzw. 124 Prozent. Deshalb werden keine neuen Praxen zugelassen. Nur zieht es die meisten Ärzte in den reicheren Süden. In manchen Nordvierteln mangelt es deshalb an Haus-, Kinder- und Frauenärzten.

Das lässt sich nur ändern, wenn die Ärztedichte nicht für ganze Städte, sondern in kleineren Bezirken gemessen wird. Darin sind sich die Ärzte mit NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) einig. Genau das sieht die Bundesregierung in ihrem Versorgungsgesetz aber nicht vor. Steffens will deshalb unter Führung der Ärzte die Bezirke für NRW selbst festlegen. Doch das kann dauern.

Lösung in Zweigstellen

Zu den schnell umsetzbaren Ideen gehören Busse. Seit Jahren fahren nicht nur Obdachlosen-Ambulanzen durch die Städte, sondern auch Mammografie-Busse. Das sind Praxen mit modernem Gerät sowie Warteraum, Umkleide, Untersuchungsraum und Be­sprechungszimmer. Das ließe sich auch für Haus- und Kinderärzte einrichten.

Steffens hält das für „suboptimal“ und es für besser, leer stehende Praxen zu besetzen. Doch das ist nicht so einfach. Um mehr Ärzte aufs Land und in Problemstadtteile zu locken, müsse man wohl auch die Residenzpflicht abschaffen, meint KV-Chef Dryden: „Wer in seinem eigenen Haus wohnt, wird nicht in die Nordstadt ziehen, um dort eine Praxis eröffnen zu dürfen.“

Steffens sieht eine Lösung in Zweigstellen. So könnten Ärzte aus dem Süden nebenbei auch im Norden praktizieren. Wenn für leerstehende Praxen keine Nachfolger gefunden würden, wäre ein denkbares Modell, dass die KV eine Praxis übernimmt und mit angestellten Ärzten betreibt.

Schwieriger Praxiskauf

Der Aufkauf von Praxen ist für die KV ein heikles Thema. Will sie eine neue Praxis in einem unterversorgten Viertel eröffnen, müsste sie auch eine frei werdende in einem überversorgten Stadtteil aufkaufen und schließen. Ein Arzt, der in Ruhestand geht, müsste seine Praxis an die KV statt auf dem freien Markt verkaufen. „Die Praxis ist sein Vermögen und dient der Alterssicherung. Man kann sie ihm nicht einfach entziehen“, sagt Potthoff.