Berlin. .
Bluthochdruck ist eine ernstzunehmende Erkrankung. Dir Folge können Herzinfarkt oder Schlaganfall sein. Deshalb ist es wichtig, den erhöhten Blutdruck zu senken. Was viele nicht wissen, das kann auch ohne Medikamente funktionieren.
In keinem anderen europäischen Land steht die Bevölkerung so unter Druck: In Deutschland leiden 16 Millionen Menschen an Hypertonie, betroffen ist jeder zweite Bundesbürger im Alter über 60. Die meisten von ihnen schlucken dagegen mehrere Medikamente. Aber auch mit anderen Mitteln könnten viele Patienten den Blutdruck senken und die Zahl oder zumindest die Dosis ihrer Arzneimittel deutlich verringern.
Bluthochdruck für die meisten Arztbesuche verantwortlich
Das Problem kann viele Ursachen haben: Alkohol, Stress, Schlafstörungen, Nierenbeschwerden oder hormonelle Probleme können den Blutdruck in die Höhe treiben, meist in Verbindung mit einer genetischen Veranlagung. Und weil auch das Alter zu Bluthochdruck beiträgt, rechnen Experten angesichts der demographischen Entwicklung in den kommenden Jahren mit deutlich mehr Patienten. Schon jetzt zählt Hypertonie, also ein Wert ab 140 zu 90, zu den häufigsten Gründen für Arztbesuche. Dass die Erkrankung zunächst kaum akute Beschwerden verursacht - Hinweise sind allenfalls Nervosität, Schlafstörungen oder Kopfschmerzen - hat ihr den Ruf als „lautloser Mörder“ eingetragen.
Denn dass der hohe Druck maßgeblich zu Herzinfarkten und vor allem zu Schlaganfällen beiträgt, steht außer Frage. Ausgehend von einem oberen, systolischen Wert von 115 steigert jede weitere Erhöhung um 20 Punkte die Mortalität durch Herz-Kreislauferkrankungen etwa um das Doppelte. Mediziner erklären dies damit, dass Bluthochdruck Ablagerungen in den Blutgefäßen fördert.
Klassische Blutdrucktherapie mit mehreren Medikamenten
Zur Behandlung einer Hypertonie setzen Ärzte und Patienten meist auf Medikamente. Fünf verschiedene Wirkstoffklassen der ersten Wahl zeugen zwar von einer überaus üppigen pharmakologischen Auswahl. Aber nur selten genügt ein Präparat, um den Blutdruck in den Normbereich zu bringen. „Der Patient, der mit einer Tablette auskommt, ist die Ausnahme“, sagt Egbert Schulz vom Blutdruckinstitut Göttingen. „Eine Blutdrucktherapie basiert auf durchschnittlich drei Medikamenten.“
Die Einnahme mehrerer Arzneien ist nicht unproblematisch. Sämtliche Wirkstoffe können Nebenwirkungen haben, und die Therapie läuft gewöhnlich lebenslang. Daher raten Fachgesellschaften eindringlich, Medikamente durch andere Ansätze zu ergänzen. Dass mitunter schon die Ernährung ausreicht, zeigt das Beispiel einer jungen Frau aus Göttingen, bei der zunächst jede Therapie versagte. Erst nach mehreren gescheiterten Versuchen entdeckte Schulz, dass die Patientin täglich drei Packungen Lakritze verschlang. Er verordnete ein striktes Verbot. Das half.
Körperliche Fitness verbessern
Der Fall ist allerdings eine Ausnahme. Meist müssen Patienten ihr Leben stärker umstellen. „Entscheidend ist die Verbesserung der körperlichen Fitness“, erläutert Hans-Georg Predel von der Deutschen Sporthochschule Köln. Regelmäßiger Ausdauersport drückt Studien zufolge den oberen, systolischen Wert im Mittel um sieben bis zehn Punkte, wobei manche Menschen sogar doppelt so stark profitieren.
Bei übergewichtigen Patienten wirkt meist auch ein Gewichtsverlust. Eine Abnahme um zehn Kilo senke den oberen Blutdruckwert um etwa 20 und den unteren, diastolischen Wert um zehn Punkte, sagt Predel. „Das kann sich mit den wirksamsten Medikamenten messen“, betont der Experte. „Am effektivsten ist die Abnahme des Bauchfetts.“ Auch wer täglich mehr als 50 Milligramm Alkohol trinkt - das entspricht einem knappen Liter Bier - kann bei Drosselung des Konsums auf Besserung hoffen. Eine Salzreduktion nützt dagegen nur jenen Menschen, die darauf sensibel reagieren - laut Predel etwa jeder zweite Patient.
Dass überdies auch Entspannung den Blutdruck senkt, lässt sich mit einem Messgerät leicht im Selbstversuch nachprüfen. Ob derartige Übungen aber dauerhaft gegen Hypertonie helfen, ist nicht gesichert. Unklar ist auch, ob sich die Wirkungen der verschiedenen Ansätze summieren. „Es scheint additive Effekte zu geben“, meint Predel vorsichtig. Schulz stimmt zu: „Man sollte sämtliche Möglichkeiten ausschöpfen.“
Vorsicht vor Ergänzungspräparaten
Skepsis angebracht ist dagegen bei jenen Ergänzungspräparaten, die Anbieter - vor allem im Internet - gegen Bluthochdruck anpreisen. Kürzlich ergab eine Studie der kalifornischen Stanford Universität, dass Patienten sich das Geld etwa für den als Wundermittel beworbenen Kiefernrindenextrakt buchstäblich sparen können. Dennoch: Mit nicht-medikamentösen Ansätzen könnten die meisten Patienten die Zahl der Medikamente oder zumindest deren Dosis senken. „Deutlicher Bluthochdruck lässt sich nur selten ganz ohne Medikamente einstellen“, sagt Schulz. Aber Menschen mit moderatem Bluthochdruck, also bis zu einem oberen Wert von etwa 160, können mitunter ganz auf Arzneien verzichten.
Allerdings reagiert nicht jeder Betroffene auf Sport, Diät oder Alkoholverzicht - ebenso wenig wie auf ein Medikament. Doch selbst wenn Ausdauertraining die Blutdruckwerte nicht bessern sollte, empfiehlt Predel körperliche Aktivität. „Sport beeinflusst viele Körperfunktionen günstig“, sagt er. „Im Vergleich zu einem passiven Hypertoniker hat der fitte Patient immer die bessere Prognose.“ (dapd)