Ruhrgebiet. . Wer glaubt, dass Kreuzworträtsel und Sudoku das Gedächtnis trainieren, liegt daneben. Besser sind oft ganz andere Sachen. Ein Experte verrät sie.
Verabredung verschwitzt? Schlüssel verlegt? Auto im Parkhaus nicht gefunden? Jeder Mensch vergisst im Alter gelegentlich schon mal etwas. Was aber, wenn „gelegentlich“ immer öfter vorkommt? „Selbst dann muss man nicht gleich an das Schlimmste denken“, sagt Carsten Brandenberg, Gedächtnistrainer an der Memory Clinic der Contilia-Gruppe im Geriatrie-Zentrum Haus Berge in Essen. „Vergesslichkeit kann viele Gründe haben.“
Demenz ist weit verbreitet
Falsch eingestellte Diabetes, chronischer Bluthochdruck oder schlichtweg Stress gehören dazu. In jährlich rund 300 000 Fällen aber ist es eine beginnende Demenz. Herausfinden kann das nur ein Fachmann. Eine pauschale Empfehlung, bis wann man sich keine Sorgen machen muss und ab wann man sich besser untersuchen lässt, gibt es allerdings nicht. „Wenn einen die eigene Vergesslichkeit stört“, rät Brandenberg, „sollte man seinen Hausarzt aufsuchen. Der Mensch merkt immer selbst zuerst, wenn mit dem Gehirn etwas nicht stimmt.“ Und für Angehörige hat er folgenden Tipp. „Wenn jemand seine Brille verlegt, ist das nicht schlimm. Schlimm ist, wenn er gar nicht mehr weiß, dass er grundsätzlich eine Brille trägt.“
Helfen kann man Betroffenen kaum. „Eine Heilung gibt es nicht, Medikamente können das Fortschreiten der Erkrankung nur verlangsamen“, sagt der Experte. Aber man kann vorbeugen, kann das Gehirn trainieren. Im Alter, aber auch schon lange zuvor. „Kognitive Reserven anlegen“, nennen Mediziner das. Je größer sie sind, umso länger können sie das Gehirn im Alter schützen.
Das Kreuzworträtsel ist keine Herausforderung
Wer solche Reserven anlegen will, muss allerdings erst einmal Platz dafür schaffen, muss „den Kopf frei bekommen“, wie es umgangssprachlich so schön heißt. „Entspannen ist extrem wichtig“, sagt Brandenberg. Das kann durch autogenes Training oder Tai Chi geschehen, kann aber auch ein langer Spaziergang mit Freunden oder das Stöbern in der Schallplattensammlung sein. „Jeder Mensch muss für sich herausfinden, was ihn entspannt.“
Dann kann er trainieren. Fast überall und zu jeder Zeit. Sudoku spielen oder Kreuzworträtsel zu lösen sind übrigens – anders als oft behauptet – keine wirklichen Trainingsmethoden. „Sudoku“, erklärt der Gedächtnistrainer, „hat anfangs tatsächlich einen positiven Effekt. Aber das Gehirn gewöhnt sich schnell an die Aufgaben. Dann wird es nicht mehr gefordert“. Und Kreuzworträtsel, sagt Carsten Brandenberg, seien ohnehin nicht viel mehr als das „Abrufen von Wissen“.
Expertentipp: „Mal aus der Routine kommen“
Um kognitive Reserven zu bilden, sei es vielmehr wichtig, „mal aus der Routine herauszukommen“. „Machen sie mal etwas anders als sonst“, rät er. „Das kann schon ein neuer Weg zur Arbeit sein.“ Oder ein Tag, an dem Rechtshänder im Büro ausnahmsweise mal alles mit der linken Hand machen. Wenn dabei das Essen in der Kantine von der Gabel fällt oder die Maus ziellos über den Bildschirm huscht, „kann das zusätzlich sogar einen geselligen Faktor haben“, glaubt Brandenberg, „kann Emotionen auslösen“, die wichtig sind für das Gehirn. Noch wichtiger ist Kommunikation, Kontakt mit anderen Menschen. „Es bringt dem Gehirn wenig, wenn man Nachrichten oder Wissenssendungen aufsaugt, ohne sich anschließend mit anderen darüber auszutauschen.“
Natürlich gibt es auch Tricks, sich Dinge zu merken. Zum Beispiel die Loci-Methode. Dabei wird Bekanntes, etwa Dinge aus der eigenen Wohnung, mit dem Begriff verknüpft, den man sich merken möchte und sich auf diese Weise als Bild im Gehirn vorstellt. Wobei es von Vorteil ist, wenn die Verknüpfung von Bekanntem und zu merkendem Begriff nicht in einem logischen Zusammenhang steht. Denn je ungewöhnlicher die Verknüpfung ist, desto besser kann das Gehirn sie behalten. Wer also die Bananen vom Einkaufszettel in seiner Vorstellung in den Schirmständer im heimischen Flur steckt und die Eier, die er holen soll, im Kopf auf den Fernseher im Wohnzimmer legt, wird sich beim Gang durch den Supermarkt wahrscheinlich an beides erinnern.