Cupertino. In der Wirtschaft sind offen schwule Chefs oder lesbische Chefinnen immer noch eine Seltenheit. Apple-Chef Tim Cook sagt jetzt offen, dass er schwul ist. Er wird einkalkuliert haben, dass dadurch das Apple Image aufgebessert wird.

Cook war sich seiner Sache sehr sicher. Er selbst hat bei dem Wirtschaftsmagazin "Businessweek" angerufen, erzählt Redakteur Josh Tyrangiel. Cook schlug einen Artikel vor: Er wollte öffentlich machen, dass er homosexuell ist.

In der Branche überraschte Cook damit niemanden. Viele seiner Kollegen bei Apple und seine Freunde wüssten bereits, dass er schwul ist, schrieb Cook. Doch öffentlich dazu geäußert hatte sich der CEO der wertvollsten Firmen der Welt bisher nicht.

Führungspersonen in der Wirtschaft, die offen schwul oder lesbisch leben, sind immer noch selten. Bei den größten börsennotierten US-Unternehmen gebe es zwar einige homosexuelle CEOs, schrieb der Journalist James Stewart im Sommer für die "New York Times". Doch keiner von ihnen habe sich öffentlich zu seiner sexuellen Orientierung äußern wollen.

Etliche dürften sich vor den Folgen gefürchtet haben. Als John Browne, der Chef des Ölkonzerns BP, von der Zeitung "The Mail on Sunday" im Jahr 2007 als schwul beschrieben wurde, legte er daraufhin sein Amt nieder. "Leider gab es einige Leute, vor allem aus der Wirtschaft, die mir danach nie wieder menschliche Wärme haben spüren lassen", schrieb Browne später in einem Buch.

Aus Angst davor, die Homosexualität öffentlich zu machen, fehlen Vorbilder für schwule und lesbische Führungskräfte. "Das ist genau das Problem", sagt René Behr. Er ist Vorstandsvorsitzender des Völklinger Kreises, einem Netzwerk schwuler Führungskräfte. "Wenn die Rollenmodelle nicht da sind, ist die eigene Angst groß." Das Versteckspiel koste schwule und lesbische Mitarbeiter Kraft, etwa wenn sie nicht wie alle anderen von Wochenend-Unternehmungen mit dem eigenen Partner erzählen können.

In der Politik ist das - zumindest in Deutschland - mittlerweile anders. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit machte 2001 den Anfang mit seinem Ausspruch "Ich bin schwul, und das ist auch gut so". Inzwischen produziert die sexuelle Orientierung eines Politikers in der Regel keine großen Schlagzeilen mehr. Allerdings ticken gerade im amerikanischen Süden, aus dem Tim Cook stammt, die Uhren noch anders.

Im liberalen Kalifornien, dem Heimatstaat von Apple, sammelt Cook dagegen Punkte. Seit Jahren engagiert er sich bei Apple gegen Diskriminierung von Homosexuellen. Gemeinsam mit Tausenden Apple-Angestellten besuchte er in diesem Jahr die Gay-Pride-Parade in San Francisco, eine der größten Schwulen-Demos der Welt.

Für Cook ist klar, dass seine sexuelle Orientierung nicht mehr alleine seine Privatangelegenheit ist. Es habe seine Sexualität nie verleugnet, aber auch nicht in der Öffentlichkeit bekannt. Die Homosexualität habe ihm ein tiefes Verständnis dafür gegeben, was es heißt, einer Minderheit anzugehören. "Es macht uns mitfühlender, was wiederum zu einem erfüllteren Leben führt", schreibt Cook.

Der Apple-Chef wird einkalkuliert haben, dass dieses Image auf sein Unternehmen positiv abfärbt, auch wenn es manche sehr konservative Kunden abschrecken wird. In der Ära seines Vorgängers Steve Jobs wurde Apple noch regelmäßig eine emotionale Kälte vorgeworfen - etwa beim Umgang mit den Arbeitsbedingungen der Arbeiter in chinesischen Zuliefer-Betrieben.

Cook bemüht sich seit seinem Amtsantritt, eigene Akzente zu setzen. Er informierte sich mehrfach in China vor Ort, ob die Partnerfirmen tatsächlich die versprochenen Verbesserungen umsetzten. Es schloss mit der Umweltschutz-Organisation Greenpeace Frieden, die Apple zuvor wegen Umweltgiften in der Produktion und einer verschlossenen Kommunikationspolitik auf dem Kieker hatte.

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Mit seinem Coming-out hoffe er, andere zu bestärken, schrieb Cook. "Wir ebnen zusammen den sonnenbeschienenen Weg zur Gerechtigkeit, Stein für Stein. Das ist mein Stein." (dpa)