Velbert. Fußball geht auch anders: Der weltweit gastierende Kontrabassist Alois Kott aus Langenberg begleitet das Spiel auf dem Rasen musikalisch – wie früher das Orchester einen Stummfilm. Ein musikalisches Experiment, dass das die Zuhörer fasziniert.

Khedira bringt eine Flanke in den Sechzehner. Während der Ball durch die Luft fliegt, spielt das Saxophon ein Glissando mit ansteigender Tonfolge. Müller verlängert, das Ding landet im Netz – instrumentaler Torjubel! Gleichzeitig ertönt ein Fragment aus dem Trauermarsch von Tschaikovsky, die melancholischen Klänge stellen die Tränen der Mannschaft dar, die das Tor hinnehmen musste.

So könnte der musikalische Kommentar zur deutschen Nationalelf von Alois Kott und seinem Ensemble ATHOS_III mit ihrem Projekt "Tocar La Copa – Sonic Viewing 2014" aussehen, das die Goethe-Institute und Kott begleitend zur Fußball-WM in mehreren südamerikanischen Ländern umsetzen: ATHOS_III ist ein deutsch-chilenisches Trio mit den Künstlern Eden Carrasco (Altsaxophon), Christian Lillinger (Percussion) und Alois Kott (Kontrabass), der für die live-elektronische Basis zuständig ist. Wechselnde Ensembles mit bis zu vier Instrumentalisten aus dem jeweiligen Gastland begleiten die gegnerische Mannschaft.

Erster Auftritt in brasilianischem Kino

"Man muss sich das vorstellen wie früher bei einem Stummfilm, wenn ein Orchester die Handlung musikalisch untermalt hat", erklärt Kott. Und tatsächlich fand der erste Auftritt am 10. Juni noch vor dem Anpfiff des Eröffnungsspiels in einem Kino statt – in Sao Paulo zur Wiedereröffnung eines UFA-Filmpalastes aus den Zwanzigerjahren des letzten Jahrhunderts. Zu den Feierlichkeiten flimmerte dort das WM-Endspiel zwischen Deutschland und Brasilien aus dem Jahr 2002 über die Leinwand, während ATHOS_III und ein brasilianisches Trio die Ereignisse auf dem Rasen musikalisch umsetzten.

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Von Claudia Klingenberger

Vor jeder Performance haben die Künstler zwei Tage Zeit, um sich auf die Darbietung vorzubereiten. Dabei gehen sie ausgesuchte Parameter des Fußballspiels durch: „Wir könnten zum Beispiel absprechen, dass wir das Kurzpassspiel bei jeder Ballberührung mit einem akzentuierten Klang darstellen“, sagt der Langenberger Künstler. Doch der größte Teil der Performance wird von den Musikern frei improvisiert.

Klassik, Jazz und HipHop

„Ich weiß nicht vorher schon, was wir tatsächlich spielen. Im Gegenteil, es wäre ganz schlimm, wenn ich zu konkrete Vorstellungen hätte, das würde die Künstler zu sehr einengen. Jeder von uns hat Freiräume, um seine Ideen einzubringen“, erläutert der Kontrabassist. Und betont, dass die Musik nicht als jazzig zu bezeichnen ist. „Wir arbeiten mit allen stilistischen Merkmalen in einem Spannungsbogen, der von der Klassischen Moderne über Neue Musik bis zum Hip-Hop reicht.“

Nach der Premiere im brasilianischen Sao Paulo findet nun die zweite Darbietung bei einer Public-Viewing-Veranstaltung in der venezolanischen Hauptstadt Caracas statt – heute zum Vorrundenspiel Deutschland gegen Portugal. Und wehe, Khedira flankt nicht!