Affeln. Das Münchner Oktoberfest, oder auch kurz Wiesn genannt – oft kopiert, aber an das Flair des Originals reichen die Kopien nicht heran. Und wer dem Virus des 16-tägigen Volksfestes einmal verfallen ist, der kommt immer gerne wieder. Ann-Kathrin Flöper aus Affeln gehört auch zu dieser Gattung Mensch.

Groß geworden im beschaulichen Affeln, mit einer gewissen genetisch veranlagten Affinität zum Feiern, Musizieren und geselligen Beisammensein. Schließlich betreibt ihre Familie die Gaststätte Affelner Mühle in der dritten Generation.

Und diese gerade 21 Jahre alte Studentin der Volkswirtschaft hat sich zusammen mit ihrer Heidelberger Kommilitonin Sonja, die aus Ingolstadt stammt, einem Abenteuer gestellt: dem Kellnern auf der Wiesn.

So einfach wie an einen Kellnerjob in Köln kommt man an die begehrte Beschäftigung auf Deutschlands größtem und berühmtesten Volksfest nicht heran. Es gilt sich zu bewerben, den strengen Anforderungen beim Auswahlverfahren zu genügen. „Die Idee kam uns im März. Eigentlich haben wir uns nur aus Spaß beworben“, erinnert sich Ann-Kathrin Flöper, die im Laufe ihre Schul- und Studienzeit schon häufiger im Service tätig war. Aber das Oktoberfest ist halt eine ganz andere Nummer, ein Fest der Superlative mit mehr als sechs Millionen Besuchern.

Einen Monat lang trainiert

Zwischen 15 und 20 so genannte Zelte wirken auf die Besucher wie Magnete. Gebürtige Bayern statten der Wiesn ebenso einen Besuch ab wie internationales Publikum. Studenten aus Australien, Promis aus den USA, Stars und Sternchen feiern auf der Wiesn mit den „normalen“ Menschen unter einem Dach. Und eines haben alle gemeinsam: Sie wollen ihren Spaß haben.

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Ann-Kathrin und ihre Freundin Sonja pickten sich fünf Zelte heraus und schickten ihre Bewerbungen nach Bayern. Eine Einladung zum Vorstellungstermin kam zurück. „Mein Wunschzelt“, sagt die aktive Klarinettistin über das Schreiben vom Wirt des Schützenfestzeltes. „Die Jobs sind heiß begehrt. Wer einmal dabei war, macht das meist über Jahrzehnte“, weiß die Studentin, wie schwer es ist, einen Platz in der Riege der Maß-Trägerinnen zu ergattern. Im Juni fand dann der Vorstellungstermin in der bayerischen Hauptstadt statt. „Wir haben vorher einen Monat lang trainiert, um den körperlichen Strapazen gewachsen zu sein. Arme, Bauch, Rücken – das komplette Programm. Im Vorfeld haben wir mit acht Maßkrügen geübt, in München stellte der Wirt dann zehn auf den Tresen“, erinnert sich Ann-Kathrin Flöper noch gut an den Härtetest.

Dabei müssen die Kandidaten nicht nur einfach die Krüge tragen. Die stehen unsortiert wie während der Wiesn auf dem Tresen, müssen schnellstmöglich mit einer ausgefeilten Technik sortiert und dann an die Tische gebracht werden. Ann-Kathrin und Sonja bestanden den Test, auch das Tragen des Schlittens, eines Serviertabletts mit acht bis zehn halben Hendl (hochdeutsch: Hähnchen) galt es durch die Reihen zu balancieren. Am Ende zählten die beiden Heidelberger Studentinnen zu den Auserwählten, die vom 21. September bis 6. Oktober zum Team des Schützenfestzeltes gehörten – eine Ehre. „Wir waren die Jüngsten und hatten keine Ahnung, was uns da erwarten würde“, gibt die Affelnerin im Nachhinein zu, „aber wir wollten das schon immer mal machen“.

Viele Promis auf der Wiesn

Rund 170 Mitarbeiter gehören zum Zelt, Ann-Kathrin und Sonja bilden das Zweierteam, das für sechs Tische im so genannten Schiff, dort wo das Partyvolk zu Hause ist, die alleinige Verantwortung trägt. Selbstverständlich wird auf der Wiesn in einer Tracht gekellnert. Dazu mussten sich die Neulinge aus dem Sauerland extra Dirndl von einer Maßschneiderei herstellen lassen – passend zum Schützenfestzelt-Look.

Viele Studenten, aber auch Zahnärzte oder Biochemiker kellnern auf der Wiesn, nehmen sich sogar Urlaub, um die Gaudi nicht zu verpassen. „Aber ich war die einzige, die Hochdeutsch sprach“, sagt Ann-Kathrin Flöper und fügt hinzu, dass das bei den vielen Rheinländern im Zelt gut ankam. Nach ein paar Tagen habe sie den Bayern-Slang aber einigermaßen verstanden und sich heimisch gefühlt. Und die Promis? Die hat die Affelnerin natürlich auch gesehen. Usain Bolt, Ralph Siegel mit Tochter, die die Bayern-Hymne sang, und Fritz Wepper samt Bodyguards kam sie ganz nah. „Wir haben so viele nette Leute kennengelernt“, sagt die Wiesn-Kellnerin und hat zusammen mit ihrer Freundin bereits einen Entschluss gefasst: „Das machen wir wieder“. Nach 16 anstrengenden Tagen und Tausenden von getragenen Bierkrügen zieht Ann-Kathrin Flöper Bilanz. „Die mentalen Anstrengungen haben die physischen übertroffen“, sagt sie über die ganz besonderen Erfahrungen.