Bremen. Mickey Mouse und Superman erheitern nicht nur Kinder. Sie sind auch eine Inspirationsquelle für die Kunst. Eine Ausstellung in Bremen zeigt den Einfluss der bunten Sprechblasenwelt auf zeitgenössische Positionen.

Die Anfangsmelodie von "Tom & Jerry" erklingt. Der Blick fällt unweigerlich auf das kleine Mauseloch in der Wand, aus dem Licht dringt. Ansonsten ist es stockdunkel. Der Betrachter wartet, doch die kleine Maus zeigt sich nicht. "Waiting for Jerry" heißt die Installation des Spaniers Juan Muñoz, in der man sich ein bisschen wie in Samuel Becketts "Warten auf Godot" vorkommt. Vor dem inneren Auge spielen sich bereits wilde Verfolgungsjagden zwischen Katz und Maus ab. Aber vergeblich, die Erwartungen werden nicht erfüllt.

Comics sind Kindheitserinnerungen, knallbunte Welten bevölkert von charmant-trotteligen Figuren und Superhelden mit wahnwitzigen Kräften, auf "Knall, Peng, Puff"-Sprechblasen reduzierte Handlungen, in denen immer die Guten gewinnen. Unter gebildeten Bürger galten sie wegen ihrer Banalität lange als verpönt. Mit der Pop-Art eroberten die naiv-fröhlichen Motive schließlich die Kunst. Auch heute noch dienen sie vielen Künstlern als Inspirationsquelle.

Wie Comics die Kunst von den 50er Jahren bis heute beeinflussten, zeigt von diesem Samstag an die Ausstellung "Kaboom!" in der Bremer Weserburg. Im Fokus stehen dabei zeitgenössische Positionen, die die vertrauten Figuren und Erzählungen aufgreifen, diese aber verfremden und hinterfragen. "Sie zeigen die dunkle Seite des Comics - als Psychogramm der Gesellschaft, das unsere Ängste spiegelt", sagte Kurator Ingo Clauß am Freitag. Sie zerstören die Zeichentrickidyllen, entlarven Stereotype oder geben ihnen eine ironische Spitze.

Die Protagonistin muss vor allem sexy sein

In einer Mehrfachschleife lässt die Medienkünstlerin Dara Birnbaum eine einfache Büroangestellte zu Superwoman werden. Die Ausschnitte aus der gleichnamigen US-Serie aus den 70er Jahren zeigen die kurvige Heldin im knappen Kostüm. Und dieses Frauenbild ist noch immer aktuell: Egal ob Catwoman oder Lara Croft in "Tomb Raider", die Protagonistin muss vor allem sexy sein. Die männliche Hauptfigur ist dagegen mit Muskeln bepackt, vor Kraft strotzend und unbezwingbar.

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Diese Allmachtsfantasien demontiert der Performanceaktivist William Pope L. In einem Superman-Kostüm kroch er 2001 über die gesamte Länge des New Yorker Broadways: der starke Retter als gebrochener Mann am Boden. Auch Jordan Wolfson greift den Mythos des Comic-Helden kritisch auf. In einer Animation fliegt der Betrachter wie Superman über die Erde. Statt Meeren, Bergen und Wäldern zieht unter ihm der Name von Christopher Reeve vorbei. Dieser wurde als Superman-Darsteller selbst zu einer Art Held, saß nach einem Unfall aber im Rollstuhl und starb früh.

Ein Bild der Gesellschaft

Comics vereinfachen die Realität bis ins Triviale. Trotzdem zeichnen sie ein Bild der Gesellschaft, wie Francesc Ruiz betont. Er hat in der Ausstellung einen Kiosk aus Philadelphia nachgebaut, der mit Magazinen und Zeitschriften im Comicstil bestückt ist. Trotz der bunten Farben und reduzierten Figuren ist ihr Inhalt komplex. "Ich habe ein Universum kreiert, das die Stadt repräsentiert", erläutert der spanische Künstler. Die Titel beschäftigen sich mit Aids, Homophobie, Problemen in den Stadtteilen und der Politik.

Abgründe lauern auch in der zuckrigbunten Zeichentrickwelt mit ihren niedlichen Figuren selbst. So steckt in einer Skulptur von John Isaacs ein brutal aussehender Finsterling unter der Maske eines niedlichen Hasen. In den Gemälden von Joyce Pensato tauchen Mickey Mouse und andere Kinderfiguren als gespenstische, alptraumhafte Wesen auf. Auf die latente Gewalt in Comics spielt ein riesiges Wandbild von Arturo Herrera an. Es zeigt Körperteile der sieben Zwerge aus Walt Disneys "Schneewittchen". Sie wirken seltsam verdreht. Rote Farbe rinnt wie ein Blutsturz herab. Eine Szenerie, die mehr an einen Splatterfilm erinnert als an ein Märchen. (dpa)