Dorsten/Bottrop. Es geht um knapp 1,9 Millionen Euro: So hoch beziffert die Anklage den Gesamtschaden an hinterzogener Steuer und nicht abgeführten Beiträgen zur Sozialversicherung eines 35-Jährigen, der in Bottrop einen Industrieservice für Gerüstbauarbeiten führte. Nun ist der Prozess vor dem Landgericht Essen geplatzt - zumindest vorerst.

Auf das Angebot des Gerichtes ließen sich die Angeklagten nicht ein. Deshalb platzte der Prozess um Steuerhinterziehung in Millionenhöhe am Montag vor dem Landgericht Essen. Hauptangeklagter ist ein 35-Jähriger aus Sachsen-Anhalt, der in Bottrop einen Industrieservice für Gerüstbauarbeiten führte. Seinem Dorstener Büroangestellten, 37 Jahre alt, wirft die Staatsanwaltschaft Beihilfe vor.

Auf 1,896 Millionen Euro beziffert die Anklage den Gesamtschaden an hinterzogener Steuer und nicht abgeführten Beiträgen zur Sozialversicherung in zwei Jahren. Im Mai 2007 soll der Hauptangeklagte in der Bottroper Innenstadt seinen Industrieservice als Gewerbe angemeldet haben.

Arbeiter zum Teil oder komplett schwarz bezahlt

Als Subunternehmer, also im Auftrag anderer Firmen, hätte er Gerüstbauarbeiten durchgeführt, heißt es in der Anklageschrift. Eigene Arbeitnehmer hätte er eingesetzt, doch nur wenige von ihnen zur Sozialversicherung angemeldet. Diese offiziellen Arbeitskräfte seien nur als geringfügig Beschäftigte geführt worden. Tatsächlich soll der 35-Jährige die Arbeiter zum Teil oder komplett schwarz bezahlt haben. Finanzamt, Sozialversicherung, aber auch die Sozialkasse des Gerüstbauerhandwerks entgingen so die Gelder, auf die sie einen Anspruch haben.

Der 37 Jahre alte Dorstener soll ihm bei der Büroorganisation geholfen haben. Als Beihilfe wertet die Anklage dessen Tätigkeit, weil der Mitarbeiter von den Hinterziehungen gewusst haben soll.

Gericht geht „in die Tiefe“

Nach Verlesung der Anklage führten die Juristen ein nicht öffentliches Rechtsgespräch. Das Ergebnis ließ sich dann öffentlich schnell erraten: Es gab keine Verständigung. Beide Angeklagten gingen nicht auf das Angebot von Gericht und Staatsanwaltschaft ein, gegen ein Geständnis die Strafhöhe zugesichert zu bekommen.

Richter Jörg Schmitt kündigte öffentlich an, dass der Prozess unterbrochen und im August neu aufgerollt werde. Das Gericht werde dann „in die Tiefe“ gehen und die Beweismittel genau prüfen. Wenn das Ergebnis in der Nähe der Anklage liege, dann seien sicherlich keine Strafen zu erwarten, die zur Bewährung ausgesetzt werden könnten. 15 bis 20 Sitzungstage seien nötig, kündigte er eine umfangreiche Beweisaufnahme an. Beiden Angeklagten riet er, die Wahrheit zu sagen, wenn sie sich äußern wollen. Schmitt: „Wenn Sie lügen, werden wir unsere Schlüsse daraus ziehen.“