Lüdenscheid.
Es wird Zeit, Vorurteile und Missverständnisse aus der Welt zu schaffen – meint Marco Nipkow. Der Projektleiter und „spiritus rector“ der Humboldt-Villa steckt bis zum Hals tief in Organisationskram, Handwerkerterminen, Abstimmungsgesprächen, Zeichnungen, Ideen und Formularen. Und bedauert es, wenn er Worte wie „Bonzen-Villa“ oder „Elite-Klübchen“ hört. „Es soll wirklich ein Haus für alle Lüdenscheider werden.“
Seit Bekanntwerden der Pläne hat sich das Projekt immer wieder verändert, teils wegen architektonischer Notwendigkeiten, teils, weil sich nach und nach herauskristallisiert hat, was geht und was überhaupt nicht.
Dass das Vorhaben zunächst einem Service-Club der Rotarier zugeschrieben wurde, hat mit der Person Thomas Fischer zu tun, der sich als erster namentlich und öffentlich als Motor des Vorhabens exponierte. Fischer ist Schatzmeister des Rotary-Clubs Lüdenscheid. Vor genau einem Jahr kam der neubarocke Prachtbau – mit Restaurant und Bistro, Weinhandlung, Versammlungsräumen und einer Wohnung – deshalb als Domizil der Lüdenscheider Service-Clubs und Treffpunkt für Wirtschaft, Politik und Kultur ins Gespräch. Marco Nipkow: „Wir haben aber schnell festgestellt, dass ein reines Rotarier-Domizil nicht funktionieren wird, es fehlte langfristig an Mitteln.“
Erste Etage soll als Veranstaltungsraum dienen
Wenn wir das Haus sanieren, dann sollen alle etwas davon haben, lautete fortan das Credo der Macher. Als „normaler“ Treffpunkt fehlt es noch an Strukturen. Eine gute Küche mit vorsichtigen mediterranen Einflüssen, ein kleines Bistro, ein Feinkost-Lädchen, ein angenehmes Park-Ambiente im Stadtkern, das sollen die Zutaten werden, die aus der Humboldt-Villa einen Ort zum Wohlfühlen machen sollen. Der Charakter soll vielschichtig werden. Nipkow: „Firmenvertreter zum Beispiel bekommen Besucher von auswärts, Familien haben Gäste aus Übersee oder aus dem Ruhrpott, denen will man doch in Lüdenscheid was zeigen.“ Die Standort-Analyse habe schnell erwiesen: Der Bedarf ist da, eine Lücke kann geschlossen werden. „Lüdenscheid verkauft sich derzeit deutlich unter Wert.“
Die Umsetzung dieser Idee zu finanzieren, heißt zunächst, sie wirkungsvoll verkaufen zu müssen. Marco Nipkow, 42 Jahre alt, waschechter „Lünscher“, gelernter Werkzeugmacher und Werbefachwirt mit Abschluss, schreibt Einladungen. Am Ende der Bemühungen haben elf Investoren zugesagt. Die Gebäudeverwaltung Humboldtstraße KG wird gegründet und tritt als Bauherrin auf, die Investoren werden Kommanditisten, eine siebenstellige Summe ist im Spiel, die Sache läuft.
Baulich und finanziell jedenfalls schon mal. Die Sanierung des Hauses und der Anbau einerseits und andererseits die gastronomische Perle im Erdgeschoss, das sind zwei der Standbeine der Humboldt-Villa. Das Treiben im ersten Obergeschoss ist ein weiteres. „Es hat nichts mit Rotary zu tun“, so Marco Nipkow. Die Etage soll als Tagungszentrum, Veranstaltungsraum und Treffpunkt für einen ganz anderen Club dienen – einen Club, den es erst seit November gibt, als sieben Gründer den „Humboldt-Club e.V.“ aus der Taufe hoben. In den nächsten Monaten wollen Nipkow und seine Mitstreiter rund 150 ständige Mitglieder werben.
Villa soll allen Lüdenscheidern offenstehen
„Das wird ein ideales Forum zum Netzwerken für viele Berufsgruppen.“ Schulungen, Vorträge, Präsentationen, Verkaufstagungen oder gesellschaftliche Anlässe sollen die Mitglieder zusammenführen. Sie werden aus der Industrie, der Dienstleistung, dem Handwerk, der Medizin oder der Kultur Lüdenscheids kommen, so die Hoffnung der Initiatoren.
Bei alledem soll die Humboldt-Villa mit seiner Gastronomie allen Lüdenscheidern offenstehen. Das Haus soll die Erfüllung des Anspruchs sein, Altes und Neues miteinander zu verbinden, sagt Marco Nipkow. Der Glas-Stahl-Beton-Anbau an der Stirnseite des Anwesens ist nur äußerliches Merkmal. „Wir wollen Altes bewahren und gleichzeitig offen für die Zukunft sein. Das wird sich auch in der Inneneinrichtung widerspiegeln.“ Die Humboldt-Villa soll „keine Disco sein, aber auch kein Altenheim“.
So hat der 42-Jährige mit Hilfe der Kommanditisten nicht nur die ehemalige Villa Hueck aus einem dreijährigen Dornröschenschlaf geweckt. Er hat damit auch persönlich einen Schritt in ein neues Leben eingeleitet. Bislang hat der Mann mit der auffälligen Mähne als Geschäftsführer die Geschicke der Firma „imox“ gelenkt, die Vertrieb und Service rund um den Werkzeugbau leistet. Die Verwirklichung der Pläne an der Humboldtstraße ist verbunden mit einem kontrollierten Ausstieg aus diesem Job. Wenn das Projekt abgeschlossen und die Villa ihrer neuen Bestimmung übergeben ist, hat Marco Nipkow anderes zu tun. Die Kommanditgesellschaft, die Gastronomie, der Club, sie brauchen einen Mann, der den Hut aufhat. „Ich werde dann Geschäftsführer dieser Gesellschaften sein.“